Über Parkettierungen

Als Parkettierung bezeichnet man die lückenlose Auslegung einer Ebene mit Fliesen oder Kacheln. Sind diese gleich geformt, gleich groß und außerdem regelmäßige Polygone, gibt es nur drei Möglichkeiten: Quadrate, Dreiecke und Sechsecke.

Läßt man die Forderung nach Regelmäßigkeit fallen, kommen auch Rechtecke, ja beliebig geformte Vielecke in Betracht. Auch krummlinig begrenzte Fliesen eignen sich unter Umständen zur Parkettierung. Berühmte Beispiele hierfür stammen von M. C. Escher [1].

Werden Fliesen unterschiedlicher Form oder Größe verwendet, gelingt die Parkettierung häufig nicht mehr. Dies ist nur dann der Fall, wenn sie in ihrer Art so gewählt wurden, daß sie zueinander passen. Häufig sind dabei mehrere Fliesensorten zugleich in Gebrauch. Für Fußböden, Wege und Straßen sowie Gebäudefassaden verbreitet sind Parkette mit zwei unterschiedlichen Arten, wobei die Fliesen jeweils einer Sorte unter sich gleich groß sind. Ein einfaches Beispiel (ohne den Rand) verwendet Achteck und Quadrat:




Dabei handelt es sich um ein Muster, das ähnlich an der Fassade einer italienischen Kirche aus dem 15. Jhdt. zu sehen war [2]



und vermutlich noch sehr viel älter ist.

Aus den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts stammt das folgende Parkett von Roger Penrose [3]:

 Fig. A

Es besteht aus zwei Rauten, einer breiten mit einem 72-Grad-Winkel an den Spitzen und einer schmalen mit 36 Grad. Die Seiten der beiden Rauten sind gleich lang.

Ein weiteres Parkett wurde von Robert Ammann und Frans P. M. Beenker entdeckt. Grundformen dabei sind eine Raute und ein Quadrat [4]:

 Fig. B

Im Gegensatz zu dem Achteck-Quadrat-Parkett und anderen periodischen Mustern sind Penrose-Parkette unperiodisch. Das heißt: bestimmte Details wiederholen sich zwar ständig, aber dies geschieht nicht regelmäßig. Es gibt dafür kein klares, leicht erkennbares Schema.

Trotzdem ist es, zumindest bei dem obigen Beispiel (Fig. A), bis zu einem gewissen Grade möglich, sich während des Verlegens an bereits fertigen Parkettbereichen zu orientieren und dort "abzugucken". Dies wird deutlich, wenn man das Bild um 90 Grad dreht und seine Fliesen zum Teil anders färbt:

 (ursprünglich)

 (gedreht)



Die hier sichtbar werdenden Achsensymmetrien erleichtern das Verlegen des Parketts, und sie sind nicht die einzigen.

Bei weiteren Bereichen mit schräg verlaufenden Symmetrieachsen deuten ihre Umrisse die beiden Penrose-Rauten an:



*

Das Ammann-Beenker-Parkett ist ebenfalls unperiodisch mit denselben Schwierigkeiten beim Verlegen, doch gibt es auch hier bei dem angeführten Beispiel (Fig. B) Regelmäßigkeiten, die durch Umfärben sichtbar gemacht werden können:



Die mehr kuriositätshalber ausgewählte obere Form läßt sich durch einfaches Verschieben reproduzieren. Nützlich für die Erstellung eines Verlegungsplanes, etwa beim Pflastern eines Grundstückes, sind auch bei Fig. B achsensymmetrische Teile:



Etwas ungleichmäßig wirkt der kreuzförmige Mittelteil, doch verschwindet dieser Eindruck, wenn man die Figur um 45 Grad nach links verdreht. Dann ist besser zu erkennen, daß die beiden Kreuzhälften, getrennt durch eine (unterbrochene) lotrechte Linie, ebenfalls spiegelsymmetrisch zueinander liegen. Die gesamte Figur ist symmetrisch zur Winkelhalbierenden des ersten und dritten Quadranten; dies fällt bei der Originalfärbung nicht sofort ins Auge.

Anmerkung.: Beim Betrachten der Fig. B mit leicht zusammengekniffenen Augen vermeint man, schräg verlaufende gerade Linien zu sehen. Einige von ihnen sind in der folgenden Figur farblich hervorgehoben. Ob sie eine tiefere Bedeutung haben, und wenn ja, welche, weiß ich nicht. (Es kann sein, dass mit ihnen die hier so genannten "Ammann bars" gemeint sind.)



*


Die vorstehend betrachteten, unperiodischen Parkette und viele andere verwenden (mindestens) zwei verschiedene Kachelsorten. Ein eigenes unperiodisches Parkett mit nur einer beginnt hiermit:
Fig. C , Lösung einer
hier gestellten Aufgabe

Bei diesen (ungleichsinnig) kongruenten Dreiecken ist die längere Kathete doppelt so lang wie die kleinere, und die Innenwinkel der Dreiecke sind ungefähr 27°, 63° und 90° groß. (Für den kleinsten gilt genauer: arctan0,5≈26,565°.)

Fig. C kann man verändern, indem die Diagonalen der Rechtecke einzeln oder zu mehreren in beliebiger Reihenfolge anders gewählt werden, und durch Aneinenderreihen der so mit neuem Inhalt versehenen Quadrate vergrößert sich das Parkett etwa wie hier:

(Man muss genau hinschauen, um die Unterschiede zu bemerken.)

Teile davon lassen sich ausschneiden, drehen und an bereits Vorhandenes anfügen:
Fig. D

Das Parkett zeigt keine Regelmäßigkeit und somit auch keine Periodizität. Durch Verändern von Diagonalen und geeignetes
Ausschneiden, Drehen, Neuanfügen seiner Teile kann man es beliebig erweitern.

Wie ich erst nachträglich feststellte, wurde Fig. C stark vergrößert zur Dekoration eines öffentlichen Gebäudes in Melbourne/Australien verwendet:


(Screenshot der Seite https://remotetraveler.com/federation-square-melbourne/#iLightbox[gallery35292]/0)  Hinweis: Die Internetadresse ist nur aufgeschrieben und lässt sich nicht anklicken. Mein Virenschutzprogramm warnt vor ihr, was früher nicht der Fall war. - Harmlos dagegen ist dies.

Etwas später bemerkte ich, dass es "mein" Parkett schon lange gibt und zum Beispiel auf dieser englischen Wikipedia-Seite unter "pinwheel tiling" (dt. Windrad-Kachelung) gezeigt und beschrieben wird.

Ergänzung: in Fig. D bilden die Hypotenusen der Dreieckskacheln den rechteckigen Rand; bei dem folgenden Parkett sind es die Katheten:
Fig. E
Hier ist die Hypotenuse doppelt so lang wie die kleine Kathete, und die Winkel betragen 30°, 60° und 90°.

*

Das Vorgehen mit Ausschneiden, Drehen, ... wie in Fig. D und E ist umständlich und mühevoll. Deshalb wurde nach einer Kachel gesucht, mit der man ein unperiodisches Parkett nur durch fortgesetztes, einfaches Anlegen wie bei einem Puzzle erzeugen kann. Im März 2023 wurde diese gefunden:
Fig. F ,
vgl. hier.

Ihr folgten in kurzem Abstand andere Kacheln mit derselben Eigenschaft, darunter die:

in einer animierten Grafik.   Kritisches dazu hier, Beitrag No. 22

Mit der in Fig. F enthaltenen, scherzhaft so genannten "Ein-Stein-Kachel" und diesem Programm kann man ein unperiodisches Parkett durch Anlegen selbst erzeugen.

Fortsetzung: Über das Ende der Suche: "Der doppelte Einstein"     "Vampir-Kachel löst den 'Einstein' ab"

*

Verschiedenes


Ein periodisches Parkett und was man mit ihm durch Umfärben machen kann:


Die beiden folgenden Muster erinnern eher an feine Häkel- und Spitzenarbeiten als an Parkette. Wie kommen sie zustande?
 

Ein etwas irritierendes Parkett:

Die durchgehenden blauen Strecken sind parallel. Der gegenteilige Eindruck ist eine optische Täuschung.

Ähnlich in natura, ohne die Täuschung:
(Teil der Torhalle Lorsch)


Portugiesen lieben es nicht nur, ihre Häuser mit Fliesen (Kacheln) zu verschönern, sondern auch Straßen und Plätze mit phantasievollen Figuren und Ornamenten zu pflastern. Viel darüber findet man im Internet. Die beiden folgenden eigenen Fotos stammen aus Portimão an der Algarve. Typisch sind geschwungene Linien und Flächen wie hier:

,

während dieses Pflaster ebenso wie eines der obigen, nur gezeichneten Parkette einen räumlichen Eindruck hervorruft:




Lebende "Parkette"

Quellen:
[1] https://www.bing.com/images/search?q=escher+parkettierungen~
[2]   S. Sebastiano, Mantua (Restaurierungsvorschlag), F.A.Z. vom 19.3.02
[3]   https://www.spiegel.de/~faszination-mathematik~penrose-parkett~.html
[4]   https://www.math.uni-bielefeld.de/~gaehler/tilings/oct.html

Bemerkenswert:
Diplomarbeit über Parkettierungen im Mathematikunterricht mit Jesus Christus in der Danksagung:
https://phaidra.univie.ac.at/open/o:1315245
Danke! Ich freu' mich.

Nachtrag:
Ein dreidimensionales Analogon zu den zweidimensionalen, nichtperiodischen Penrose-Parketten bilden die Quasi-Kristalle von Daniel Shechtman. Für ihre Entdeckung erhielt er nach anfänglichen Widerständen aus der Fachwelt 2011 den Nobelpreis für Chemie.
Näheres dazu z. B. hier und hier (YouTube-Video mit Prof. Shechtman).
Fünf Jahre später: natürliche Quasikristalle

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