Über Hüllkurven (Einhüllende, Enveloppen)

Kürzlich wurde hier [1] gefragt, wie man zu einer gegebenen Kurvenschar die Einhüllende, auch Hüllkurve oder Enveloppe genannt, ermittelt. Der Fragesteller (oder die Fragestellerin?) meinte, daß die Erklärungen dazu im Internet nicht ausreichen. Das mag sein, und da das recht reizvolle Thema in der Schule wie auf der Uni nur verhältnismäßig selten behandelt wird, greife ich es hier, zum Teil mich selber zitierend, erneut auf.

In [2] schrieb ich:
Bei einer Schar gleichartiger Kurven oder Geraden, die sich durch einen gewissen Parameter p voneinander unterscheiden, enthält ihre Funktions- bzw. Relationsgleichung nicht nur die Variablen x und y, sondern auch p, so daß man sie in der Form F(x,y,p)=0 schreiben kann. Zwei Nachbarkurven der Schar mit den Parameterwerten p und p+h werden von der gesuchten Hüllkurve an verschiedenen Punkten berührt. Setzt man die partielle Ableitung von F nach p:

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F_p=lim(h->0,(F(x,y,p+h)-F(x,y,p))/h)

gleich 0, bedeutet dies anschaulich, daß sich die beiden Berührpunkte unbegrenzt einander annähern und gemeinsam einen Punkt der Hüllkurve ergeben - wenn diese existiert. Dies ist nicht immer der Fall, etwa bei konzentrischen Kreisen, bei einer Schar von Cassinischen Kurven

Bild
oder hier:

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\geo
nolabel()e(250,150)
x(0,16)y(-5,5)c(black)
param(xx,0,20,0.1)
makro(schar,kurve(xx,(xx-%1)*(xx-%1)*(xx-%1)
schar(2)schar(4)schar(6)schar(8)schar(10)
schar(12)schar(14)schar(16)
\geooff
geoprint()



Für das Aufstellen der Enveloppengleichung ist die Bedingung Fp=0 zwar notwendig, aber nicht hinreichend. Ihre formale Anwendung führt bei dem letzten Beispiel zum Ergebnis y=0, d. h. die "Hüllkurve" ist die x-Achse!

Anders ist es bei der folgenden Kreisschar

http://matheplanet.com/matheplanet/nuke/html/uploads/7/1948_krschar3.gif
Sie hat eine Einhüllende, und am Ende von [1] wird rechnerisch gezeigt, daß diese von den Winkelhalbierenden des 1. und 4. Quadranten gebildet wird.

Hier, in diesem Beitrag, sollen, anstelle in x-Richtung verschobener Kreise, zum Ursprung konzentrische Ellipsen mit der Gleichung
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x^2/a^2+y^2/b^2=1

betrachtet werden, und zwar in zwei verschiedenen Ausführungen.

Bei der ersten Kurvenschar nehmen die großen Halbachsen um dieselbe Strecke zu, um die sich die kleinen verringern, so daß ihre Summe gleich groß bleibt: a+b=c=const. Dann gilt für diese Ellipsen
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3190563fed-Code ausblenden

x^2/a^2+y^2/(c-a)^2=1;

a ist der Parameter der Schar; c wird fest vorgegeben.

Anders geschrieben, lautet die Gleichung
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3190992fed-Code ausblenden

(c-a)^2|x^2+a^2|y^2=a^2|(c-a)^2|,

so daß wir haben
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F(x,y,a)=(c-a)^2|(x^2-a^2)+a^2|y^2=0 | ......... |(1)

F, partiell nach a abgeleitet, ergibt
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F_a=-2(c-a)(x^2-a^2)-(c-a)^2*2a+2ay^2=0.

Dies führt in Verbindung mit (1) auf x2=a3/c, und durch Einsetzen in (1) ergibt sich y2=(c-a)3/c.

Zieht man in diesen zwei Gleichungen beiderseits die Kubikwurzel,
entsteht x2/3=a/c1/3 und y2/3=(c-a)/c1/3, woraus
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x^(2/3)+y^(2/3)=c^(2/3)

folgt. Dies ist die Gleichung der Sternkurve oder Astroide:

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\geo
e(450,450)xy(-7,7)c(grey)
nolabel()
param(t,0,360,2,deg2rad)konst(laenge,sqrt(41))
makro(schar,kurve(laenge*%1*cos(t),laenge*(1-%1)*sin(t)
schar(0.1)schar(0.2)schar(0.3)schar(0.4)
schar(0.5) schar(0.6) schar(0.7)schar(0.8)
schar(0.9)
c(black)
kurve(laenge*cos(t)*cos(t)*cos(t),laenge*sin(t)*sin(t)*sin(t))
\geooff
geoprint()



Bei der zweiten angekündigten Ellipsenschar soll nicht mehr gelten b=c-a, sondern b2=c2-a2. Dann folgt:
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x^2/a^2+y^2/(c^2-a^2)=1


http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193313fed-Code ausblenden

F(x,y,a)=(c^2-a^2)(x^2-a^2)+a^2|y^2=0|......|(1)


http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3191080fed-Code ausblenden

F_a=-2a(x^2-a^2)-2a(c^2-a^2)+2ay^2=0| und | daraus
y^2=x^2-2a^2+c^2|......|(2)


Dies, eingesetzt in (1):
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3191129fed-Code einblendenfed-Code ausblenden

(c^2-a^2)(x^2-a^2)+a^2|x^2-2a^4-a^2|c^2=0 |ergibt| c^2|x^2=a^4|.


Daraus entnehmen wir a2=cx und setzen es, weil die Gleichung der Einhüllenden nicht mehr den Parameter a enthalten darf, in (2) ein:
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y^2=x^2-2cx+c^2=(x-c)^2=(c-x)^2.


Hieraus folgt y=x-c und y=-x+c; das sind Gleichungen von Geraden, die die Achsen unter 45° schneiden. Zwei weitere, zu ihnen symmetrisch verlaufende ergeben sich, weil aus a4=c2x2 auch a2=-cx folgt. Insgesamt ist die Hüllkurve bei dieser Ellipsenschar ein Quadrat:
Bild

Untersucht habe ich auch die Kurvenschar mit der Gleichung
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x^4/a^4+y^4/b^4=1


und b4=c4-a4. Die Kurven ähneln abgerundeten Rechtecken, und die Hüllkurve ist ein Kreis:
Bild
Zum Abschluß gehe ich mit dem Exponenten 4 des letzten Beispiels ein paar Schritte zurück und betrachte die Geradenschar mit
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193316fed-Code ausblenden

x/a+y/b=1| und | a+b=c=const.


Bei ihr erhalten wir
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193296fed-Code ausblenden

F(x,y,a)=cx-ax+ay-ac+a^2=0


http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193297fed-Code ausblenden

F_a=-x+y-c+2a=0


Wiederum ist es unser Ziel, aus diesen beiden Gleichungen eine weitere Gleichung zwischen x,y und c zu gewinnen, die den Parameter a nicht mehr enthält. Sie beschreibt die Hüllkurve.

Dabei ergibt sich y=(c-a)2/c und x=a2/c. Potenziert man beiderseits mit ½ und faßt zusammen, entsteht
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193286fed-Code ausblenden

x^(1/2)+y^(1/2)=c^(1/2)| bzw.


http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3193032fed-Code ausblenden

sqrt(x)+sqrt(y)=sqrt(c)|.



Die rote Linie in der Figur folgt der Gl.
http://fed.matheplanet.com/mprender.php?stringid=3194155fed-Code ausblenden

y=(sqrt(c)-sqrt(x))^2|.


Bild

Hans-Jürgen

[1]
Berechnung der Hüllkurve einer Funktionsschar
[2]
Die Leiter und die Sternkurve

Re: Über Hüllkurven (Einhüllende, Enveloppen)
von
xycolon am Fr. 28. September 2007 11:11:27 http://www.kappmeier.de


hi,

ein schöner artikel mit schönen beispielen zu diesem, mir bisher unbekannten, thema :)

gruß,
xycolon


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