Doppelsterne und fahrende Trompeter

Viele kennen ihn, wenn auch nicht alle dem Namen nach: den Doppler-Effekt. Beobachtbar ist er bei Polizei- und Krankenwagen mit eingeschaltetem Martinshorn. Nähern sie sich uns, klingt ihr Ton höher, als wenn sie stehen, und wenn sie sich wieder entfernen, tiefer.

Benannt ist der Effekt nach dem österreichischen Physiker Doppler (1803-1853), dessen Vornamen mir nicht ganz klar sind. In [1]  wird er Christian Johann genannt, in [2] dagegen Christian Andreas.

Im Jahre 1842 stellte er in seiner anschließend berühmt gewordenen Arbeit “Über das farbige Licht der Doppelsterne” die These auf, daß diese Doppelsterne, die einander umkreisen und sich dabei zeitweise auf uns zu und dann wieder von uns weg bewegen, ihre Farbe wechseln: wenn sie sich von uns entfernen, sollte ihr Licht ein wenig röter werden, und wenn sie sich uns nähern, etwas mehr nach blau gehen.

Dopplers Gedanke dabei war ungefähr folgender: der Farbeindruck, den wir von einer (monochromatischen) Lichtquelle empfangen, hängt von der Länge der Lichtwellen ab, die in unser Auge gelangen. Wird sie größer, verschiebt sich die beobachtete Lichtfarbe nach Rot, andernfalls nach Blau. Wenn sich eine Lichtquelle von uns weg bewegt, tritt das erstere ein; nähert sie sich uns, ergibt sich letzteres. Doppler war sich darüber im klaren, daß man dies bei normalen Lichtquellen nicht beobachten kann, weil die ihnen gegenüber erreichbaren Geschwindigkeiten viel zu klein sind. Bei den Doppelsternen hielt er es jedoch für gegeben.

Er postulierte das Auftreten des nach ihm benannten Effekts auch beim Schall und rechnete aus, bei welchen Geschwindigkeiten er zu beobachten sein müßte. Dabei kam Doppler auf 70 km/h, wenn sich eine Änderung um einen Halbton (von H auf C) ergeben sollte. Eine so hohe Geschwindigkeit war damals nur bei Eisenbahnzügen erreichbar. Deshalb führte ein anderer, der bedeutende niederländische Physiker und Admiral Christoph Buys Ballot, drei Jahre nach dem Erscheinen von Dopplers Schrift entsprechende Versuche mit Trompetern in einem offenen Eisenbahnwagen durch. Hierüber, und welche Schwierigkeiten dabei zu überwinden waren, wird ausführlich in [3] berichtet. Unter reproduzierbaren Laborbedingungen untersuchte als erster den Doppler-Effekt 1860 der österreichische Physiker und Philosoph Ernst Mach.    

Wenn wir weiter beim Schall bleiben, so zeigt sich noch folgendes: auch wenn die Schallquelle ruht und der Beobachter sich bewegt, tritt der Doppler-Effekt auf. Dies läßt sich zum Beispiel bei läutenden Kirchenglocken beobachten, wenn man sich ihnen mit dem Auto genügend schnell nähert und wieder entfernt.

Die Tonhöhenänderungen fallen unterschiedlich aus, je nachdem, wer sich bewegt und wer ruht: der Beobachter oder die Quelle. Dies ergibt sich, ganz ohne Rechnung, aus einer einfachen Überlegung. Angenommen, die Quelle ruht und der Beobachter entfernt sich von ihr mit Schallgeschwindigkeit. Dann erreichen ihn die Schallwellen nicht, und er hört nichts. Ruht dagegen der Beobachter und die Quelle bewegt sich von ihm mit Schallgeschwindigkeit fort, so hört er sehr wohl etwas, denn die Schallwellen erreichen ihn auf jeden Fall.

Genauer gesagt, hört er den von der Quelle ausgehenden Ton, wenn sich diese mit Schallgeschwindigkeit wegbewegt, um eine Oktave tiefer. Dies ergibt sich aus der Doppler-Formel für ruhenden Beobachter, bewegte Quelle: fBeob=fo/(1±vq/c). Hierbei bedeutet fo die von der Quelle erzeugte Tonfrequenz, vq die Geschwindigkeit der Quelle und c die Schallgeschwindigkeit. Das obere Vorzeichen gilt für den Fall, daß sich die Quelle vom Beobachter entfernt. Ist vq=c, erhält man fBeob=fo/2.

Bilden wir bei bewegter Quelle (und ruhendem Beobachter) das Verhältnis der beiden Tonhöhen bei Annäherung und Entfernung,(1+vq/c)/(1-vq/c), so ergibt sich zum Beispiel bei einem Auto, das mit 136 km/h an uns vorbeifährt und mit c=340 m/s (Schallgeschwindigkeit bei 20°C) der Wert 5:4. Das ist, wiederum musikalisch ausgedrückt, eine große Terz und entspricht dem Ruf des Kuckucks. (In dem bekannten Kinderlied steht eine kleine Terz.) 1

Was hier mehr oder weniger nur angedeutet werden kann, um diesen Beitrag nicht zu lang werden zu lassen, gilt für den Schall. Beim Licht, das im Gegensatz zu ihm kein Ausbreitungsmedium benötigt (früher dachte man darüber anders und nannte es "Äther"), muß man relativistisch rechnen. Da man hierbei nicht sagen kann, wer von den beiden, Quelle oder Beobachter, sich bewegt und wer ruht, gibt es für den Doppler-Effekt des Lichtes nur eine Formel:
fBeob=fosqrt((1-v/c)/(1+v/c)). Dabei bedeutet v die Relativgeschwindigkeit zwischen Quelle und Beobachter. (v wird als positiv angenommen, wenn sich Quelle und Beobachter voneinander wegbewegen, andernfalls negativ.)

Der Doppler-Effekt, dem Buys Ballot keine weitreichende praktische Bedeutung zumaß (vgl. [3], letzter Absatz), fand in unserer Zeit zahlreiche Anwendungen, darunter beim Doppler-Radar zur Geschwindigkeitskontrolle von Fahrzeugen und bei der Messung von Strömungsgeschwindigkeiten des Blutes im menschlichen Körper. In der Kosmologie, der Lehre von der Entstehung und Entwicklung des Weltalls, spielte der Doppler-Effekt im Zusammenhang mit der von Hubble entdeckten "Flucht der Spiralnebel", welche zum "kosmischen Ei" des katholischen Priesters und Physikers Georges Henri Lemaître bzw. zur "Urknall"-Hypothese führte [4], eine gewisse Rolle, doch kam man inzwischen davon ab ([5], 2. Abschnitt von "Anwendungen").

Hans-Jürgen

1Nachtrag, nicht auf dem "Matheplaneten". Der Ruf des Kuckucks ist recht variabel. Dies kann man dieser Bemerkung entnehmen: "Beim Tonabstand zwischen den beiden Elementen des Kuckucksrufs handelt es sich in der Regel um eine kleine Terz, zum Beispiel f-d oder e-cis. Die Intervalle können aber auch größer sein und bis zur Quinte gehen." (Zitiert aus www.nabu.de/aktionenundprojekte/vogeldesjahres/2008-kuckuck/07737.html)


Re: Doppelsterne und fahrende Trompeter
von
FlorianM am Do. 28. Juli 2005 16:21:25 http://www.mathe1.de


War mir vorher zwar schon bekannt, aber sehr schön geschrieben. :)


Re: Doppelsterne und fahrende Trompeter
von
Rebecca am Do. 28. Juli 2005 19:38:22


Hallo Hans-Jürgen,

vielen Dank für diesen schönen Artikel. Besonders die Überprüfung des Dopplereffektes mit einer Lokomotive und 6 Trompeten zeigt, wie schwierig experimentelle Untersuchungen an der Grenze der technischen Leistungsfähigkeiten in der jeweiligen Zeitepoche sein können.

Mit seiner Meinung, dass der Doppler-Effekt keine weitreichende praktische Bedeutung besitzt, befindet sich Christoph Buys Ballot in guter Gesellschaft. Dazu zwei Zitate:

Ich bin überzeugt, dass weltweit ein Bedarf nach nicht mehr als 5 Computern besteht.
(Thomas J. Watson, Präsident von IBM, 1943)

Atomenergie läßt sich weder zivil noch militärisch nutzen.
(Nikola Tesla, Physiker, 1933)

Gruß
Rebecca


Re: Doppelsterne und fahrende Trompeter
von
Rebecca am Do. 28. Juli 2005 22:54:32


Hallo Hans-Jürgen,

ich habe versucht zu klären, welche Vornamen nun stimmen. Erfolglos. Wenn man nach der Häufigkeit der Fundstellen im deutschsprachigen Internet geht, liegt Christian Andreas klar vorne. Nimmt man das ganze Web, geht es fast unentschieden aus.
Das englische Wikipedia bietet sogar Johann Christian Andreas Doppler als Namen an.

Gruß
Rebecca


Re: Doppelsterne und fahrende Trompeter
von
Hans-Juergen am Fr. 29. Juli 2005 10:55:07 http://www.hjcaspar.de


Hi Rebecca,

danke für Deine beiden Kommentare,
über die ich mich, wie auch bei
früheren Gelegenheiten, gefreut habe,

und herzliche Grüße,
Hans-Jürgen.


Das Bild von Chr. Doppler stammt aus Wikipedia und ist gemeinfrei.

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