Kopie aus: http://www.traumfeuer.com/threads/die-7-todsuenden.13684/page-3

"DIE SIEBEN TODSÜNDEN

 Ursprünglich waren die Sieben Todsünden acht an der Zahl. Genauer gesagt, waren sie überhaupt keine Sünden, und tödlich schon gar nicht. Auch waren sie nicht für den Laien gedacht, sondern speziell für solche Menschen, die ein Gelübde ablegten und sich für das mönchische Leben entschieden hatten.

 Für solche Menschen verzeichnete ein Katalog vor etwa 1700 Jahren acht sogenannte Hauptlaster. Das waren allesamt Anfechtungen, denen der Mönch, der isoliert in seinem Kloster lebt, ausgesetzt ist, und die es zu vermeiden gilt: Gula, Luxuria, Avaritia, Ira, Tristitia, Acedia, Vana Gloria und Superbia. Zu Deutsch: Unmäßigkeit im Essen und Trinken, Unkeuschheit, Geiz, Zorn, Trübsinn, Trägheit des Geistes, Eitle Ruhmsucht und Hochmut.

 Die Definition der Lastergruppe, die heute als die Sieben Todsünden bekannt ist, geschah durch Papst Gregor I. Er amtierte von 590 bis 604 und gilt als großer Reformator der mittelalterlichen Kirche; er ist daher auch als Gregor der Große bekannt. Nach ihm ist übrigens der noch heute in der Liturgie eingesetzte A-cappella-Chorgesang benannt, den man eben den gregorianischen Gesang nennt.

 Gregors Absicht war, eine für alle Christen gültige, populäre Morallehre zu gründen. Die Zehn Gebote schienen ihm offenbar nicht genug zu sein. Der Mensch sollte dazu gebracht werden, seine bösen Taten selbst zu erkennen und sie nicht mehr zu wiederholen. Gregor formte den alten mönchischen Lasterkanon nach den Bedürfnissen des weltlichen Lebens zu einem Sündenkatalog um. Er verschmolz Eitle Ruhmsucht mit Hochmut, vereinigte Trübsinn und Trägheit der Geistes, führte Neid in die Lastermannschaft neu ein - und fertig waren die tödlichen Sieben. Sie stehen seitdem in vorgegebener Reihenfolge ganz oben im Sündenkatalog der Katholischen Kirche: Superbia, Avaritia, Luxuria, Ira, Gula, Invidia, Acedia. Also: Hochmut, Geiz, Unkeuschheit, Zorn, Unmäßigkeit im Essen und Trinken, Neid, Trägheit des Geistes.

 Zwei Fragen stellen sich: Warum sind die 7 Todsünden tödlich? Und warum sind es genau sieben an der Zahl?

 Das Tödliche an den Todsünden bezieht sich auf die Auswirkung, die sie auf das Seelenheil des Sünders haben. Die Todsünden sind - laut Katechismus der Katholischen Kirche - "wissentliche und freiwillige Übertretungen des göttlichen Gesetzes in einer schweren Sache". Das unterscheidet sie von den lässlichen Sünden. Eine Todsünde "macht die Seele von ihrem letzten Ziele abwendig, beraubt sie der heiligmachenden Gnade, macht sie des ewigen Todes in der Hölle schuldig und vernichtet die erworbenen Verdienste". Eine verheerende Wirkung.

 Moraltheologisch korrekt werden die Todsünden Hauptsünden genannt, "weil sie gleichsam die Quelle und Wurzel der anderen Sünden und Laster sind".

 Was die Zahl der Todsünden angeht, so ist in der Entscheidung für eine Siebenerpackung als ein genialer Schachzug Papst Gregors zu sehen. Ein Einfall von großer Wirksamkeit, wenn man bedenkt, welch herausragende Stellung die Zahl Sieben in unserem Kulturkreis -und nicht nur dort- einnimmt. Man kann wohl von einer Hebdomanie sprechen - einer regelrechten Sucht nach der Zahl Sieben. Sie gilt seit jeher als die vollkommene Zahl. Die sieben Tage der Woche und die sieben Hügel von Rom, die sieben Weltwunder und die sieben Sakramente (Taufe, Firmung, Sakrament des Altares, Buße, Letzte Ölung, Priesterweihe und Ehe) sind nur einige Beispiele dafür. Es überrascht also nicht, dass die Sieben Todsünden ihren Gegenpart in den Sieben Tugenden haben: Glaube, Liebe, Hoffnung, Klugheit, Gerechtigkeit, Starkmut und Mäßigung.

 In der Bibel findet sich übrigens keine Spur von Todsünden. Während die Heilige Schrift die Zehn Gebote recht eindeutig formuliert, gibt es dort weder für eine Siebenergruppe von Lastern noch gar für irgendwelche Todsünden einen sicheren Beleg.

 Seit fünfzehnhundert Jahren sind die Sieben Todsünden faszinierender Bestandteil der westlichen Kultur. Sie haben die Reformation, die Inquisition, die Aufklärung, die französische und die bolschewistische Revolution, den Kapitalismus, den Faschismus und den Postmodernismus überlebt. Sie werden - darüber kein Zweifel - auch das Zeitalter der Globalisierung überleben.

 Quiggy

Quigoni, 10 Februar 2003"

Nachtrag von mir: das in dem obigen Text vorkommende Wort "Hebdomanie" in Verbindung mit der Zahl Sieben rührt daher, daß deutsche Wörter mit "sieben-" oder "Sieben-" auf Griechisch mit "hepto-" oder "hebto-" beginnen. (Langenscheidt-Wörterbuch Altgriechisch). Und ein "hebdomadaire" ist eine in Frankreich alle sieben Tage, d. h. wöchentlich, erscheinende Zeitschrift. Eine solche ist in Paris "Charlie Hebdo".  Auf ihre Redaktion verübten am 7.1.2015 zwei schwerbewaffnete islamische Fanatiker ein Attentat, bei dem sie zwölf Menschen töteten.

Zurück zur Vorseite
Zurück zur Themenübersicht, Teil 2