Über Maria

Auf dem diesjährigen Bürgerfest unserer Gemeinde waren auch die evangelische Kreuz- und Erlöserkirche durch einen gemeinsamen Stand vertreten. In einer für stille Einkehr und Besinnung vorgesehenen Zeltecke befand sich eine kleine Ikone mit folgendem Begleittext:

"Warum hängt hier eine Marien-Ikone?
Ikonen sind vor allem in den östlichen Kirchen ... fester und wichtiger Bestandteil des gottesdienstlichen Raumes. In einfachen, aber oft sehr symbolreichen Bildern werden Glaubensgrundsätze sichtbar und verständlich gemacht. Der Gläubige kann vor diesen Bildern meditierend seine Andacht verrichten und sich den dargestellten Inhalten innerlich annähern.
Die hier aufgehängte Ikone zeigt Maria, die das Jesuskind auf dem Arm trägt. Sie weist mit einer Hand auf es hin und zeigt so dem Betrachter, wer hier wirklich wichtig ist: Jesus Christus.
In den protestantischen Kirchen ist Maria lange Zeit weitgehend unbeachtet geblieben. Vielleicht geschah dies auch als Protestaktion, da man die sehr viel stärkere Beachtung Marias in der römisch-katholischen Kirche als Überbewertung empfand.
Heute, im Zeichen der Ökumene, wird Maria als Frauengestalt der Bibel auch in evangelischen Kreisen wieder neu entdeckt. Ihr Leben und ihre Person, so wenig wir auch von ihr wissen, bietet viele Anknüpfungspunkte zu unserem eigenen Leben:
Maria stellt sich mit ihrer ganzen Person vertrauensvoll und bedingungslos in den Dienst Gottes.
Sie macht, wie viele Mütter und Väter, die Erfahrung, dass ihr Kind ihr entfremdet und zu einem Menschen wird, den sie nur noch teilweise verstehen kann.
Sie erlebt, wie ihr eigener Sohn grausam umgebracht wird, erlebt darin tiefstes Leid und Verzweiflung.
Sie erfährt Gottes lebensschaffende Kraft nach der Auferstehung.
Sie wird getragen von der Gemeinde der ersten Christen und erfährt so echte Gemeinschaft im Glauben.
Es lohnt sich, sich mit dieser interessanten Frau der Bibel einmal mehr zu beschäftigen."

Selber empfinde ich es als einen Mangel, dass wir als evangelische Christen in unseren Gottesdiensten Maria nur an einer Stelle kurz erwähnen: im Glaubensbekenntnis, zusammen mit Pontius Pilatus, der auf diese Weise "unsterblich" wurde. Maria war nicht irgendeine der zahlreichen, zum Teil berühmt gewordenen biblischen Frauengestalten, sondern die größte und bedeutendste unter ihnen. Das hebt die Heilige Schrift eindrucksvoll hervor. Sie wird von den Katholiken nicht angebetet – dies würde dem Ersten Gebot widersprechen und kommt nur Gott zu –, sondern man lobt sie, dankt ihr und bittet sie um Hilfe. Sie gilt als Wegweiserin und Führerin zu ihrem Sohn Jesus Christus und wird stets im Zusammenhang mit ihm genannt. Luther schrieb 1520 über sie in seiner Auslegung des Lobliedes Mariä (Magnificat, Lk 1,46 ff):

"Maria will nicht eine Abgöttin sein. Sie tut nichts. Gott tut alle Dinge. Anrufen soll man sie, dass Gott durch ihren Willen gebe und tue, was wir bitten; wie auch alle anderen Heiligen so anzurufen sind, dass das Werk immer ganz allein Gottes bleibe." ... "Wir bitten Gott um rechtes Verstehen dieses Magnificat, das nicht allein leuchte und rede, sondern brenne und lebe in Leib und Seele. Das verleihe uns Christus durch Fürbitte und Willen seiner lieben Mutter Maria. Amen."
(Briefe II, 300, zit. in http://members.aon.at/veitschegger/texte/heilige2.htm )

Diese Einstellung Luthers zu Maria hinderte ihn nicht daran, so heißt es, die kultische Verehrung der "Gottesmutter"1 in der katholischen Kirche abzulehnen. Sie sei mit den reformatorischen Grundprinzipien – solus Christus, sola fides (gratia), sola scriptura – nicht zu vereinbaren gewesen. Offenbar im Gegensatz zu der obigen Auslegung soll Luther in Maria zwar ein Vorbild in Glaube und Demut gesehen haben, jedoch strikt dagegen gewesen sein, sie als Fürbitterin oder als Mittlerin anzurufen. Dies ist verwirrend, und die theologischen Feinheiten, um die es hier geht, bedeuten mir nichts. Über sie ist Streit entbrannt, der bis in unsere Tage andauert und die Christen unnütz auseinandertreibt.

An dem folgenden Ave Maria, das mir durch seine Vertonung auf der Grundlage eines Bach-Präludiums seit meiner Jugendzeit lieb und vertraut ist, bewegen mich vor allem die letzten beiden Zeilen. In ihnen bittet der Beter Maria um ihren Beistand in der Todesstunde.

Ave Maria, gratia plena,
Dominus tecum,
benedicta tu in mulieribus,
et benedictus fructus ventris tui Iesus.
Sancta Maria mater Dei,
ora pro nobis peccatoribus,
nunc, et in hora mortis nostrae.
Amen


Blumengeschmücktes Marienbild auf einer Straße in Spanien:



1 Worauf diese Bezeichnung beruht, wird hier http://www.stmichael-online.de/gottesmutter.htm von einer Glaubensgemeinschaft evangelischer Christen erklärt. Sie sind der Ansicht, dass auch Protestanten von der Mutter Gottes sprechen können, ohne sich dafür zu entschuldigen oder Vorwürfe machen zu lassen. Vgl. dazu weiter hier: "Katholisch? Katholisch!" auf einer anderen Seite derselben Gemeinschaft.
Ein grundlegendes Dokument ("Dogmatische Bulle"), in dem erklärt wird, was die katholische Kirche über Maria lehrt: http://www.stjosef.at/dokumente/ineffabilis_deus_1854.htm.
Eine ausführliche Replik von nichtkatholischer Seite: http://www.evangelikal.de/maria.html.
Maria im Koran: http://12koerbe.de/euangeleion/imran.htm", Hans Zimmermann: Evangelien und verwandte Quellen, 3. und 19. Sure, Übersetzung von Friedrich Rückert (1788-1866).

Friedensgebet (in italienischer Sprache)
"Maria Meeresstern"
Wunder, Maria und Jesus

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