Predigt von Herrn Pastor Cornelius van der Staaij
in der St.-Petrus-Kirche Henstedt-Rhen, https://www.kirche-rhen.de/

1. Mose 13 C vdStaaij Rhen, 29.10.23

Liebe Gemeinde,

Das ganze Land, das du siehst, will ich für immer dir und deinen Nachkommen geben.“, so sprach Gott zu Abraham. Und wer würde diese Tage nicht automatisch an den Streit zwischen Israel und den Palästinensern denken, bei dem es genau um dieses Land geht. Man könnte diesen Text sehr gut politisch auslegen und fragen, was es für das heutige Israel und die Palästinenserfrage bedeutet. Deutet sich in dem „gehst du nach Norden, geh ich nach Süden nicht so etwas wie eine Zwei-Staaten-Lösung an? Aber das wäre zu schnell geschlossen.

Es geht hier nicht um den Streit zwischen zwei Völkern. Es geht hier um einen Streit zwischen Brüdern. Und es geht um Großzügigkeit und weise Entscheidungen, wenn man so streitet, und um die Frage, warum der eine, Abraham, großzügig sein konnte und gesegnet wurde, der andere - Lot - aber nicht. Was war passiert? Man kann ja aus verschiedenen Gründen streiten. Man kann streiten, weil einem die Nase des anderen nicht passt. Dann ist Frieden anstrengend. Konflikte können entstehen, wenn eine Seite wirklich böse ist. Dann ist echter Frieden kaum möglich. Die einzige Weise, damit umzugehen, kann dann sein, eine klare Grenze zu setzen. 2. Tim. 4,14f: „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses getan ... vor dem hüte du dich auch...

Oder ein Konflikt kann eine sachliche Ursache haben. So war es bei Abraham und Lot. Die Herden von Abraham und Lot hatten sich vermehrt, was eigentlich etwas Gutes war. Aber nun stritten sich die Hirten der beiden um die besten Wasserplätze und um den nötigen Weideplatz - die Ressourcen reichten nicht mehr.

Die Versuchung besteht darin, um der Bequemlichkeit willen Probleme nicht anzusprechen - so, wie wir heute viele Probleme, die durch unseren Lebensstil entstehen, eher aussitzen statt sie anzugehen. Abraham hat den Mut, das Problem anzusprechen. Und er sieht auch eine Lösung. Die eine Gruppe könnte auf dem Hochplateau leben, die andere den Süden und das Jordantal beweiden.

Die Frage ist nur: wer bekommt was? Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Denn das Land im Süden ist viel fruchtbarer, der Norden ist karg. Jeder mit Augen im Kopf sieht das auf den ersten Blick. Abraham hat es natürlich auch gesehen. Und doch überlässt er Lot die Wahl. Was absolut erstaunlich ist!

Wenn du Abraham wärst - was hättest du gemacht? Wie groß muss die Versuchung gewesen sein, für sich selbst die beste Lösung rauszuschlagen?

Als Onkel hätte er seinem Neffen sagen können: Ich bin ja nun das Familienoberhaupt, ich entscheide.

Als Älterer hätte er dem jüngeren sagen können: ich bin der Ältere... dumm für dich... Er hätte auch die religiöse Karte spielen können: Gott hatte IHN berufen, in das neue Land zu ziehen - nicht Lot. Er hätte die Machtkarte spielen können: Abraham hatte, so heißt es, viel Silber und Gold. Lot neben dem Vieh nur ein paar Zelte. Ist doch klar, wer im Streitfall mehr Waffen, mehr Soldaten, mehr überhaupt gehabt hätte. Aber Abraham droht nicht, er manipuliert nicht - er lässt Lot die freie Wahl.

Und Lot? Er sieht auf einen Blick: das Land im Süden ist grün, fruchtbar und frisch, die Leute da sind wohlhabend. Schön blöd, wer da nicht zugreift. Lot folgt seiner Vernunft - und wird sich doch täuschen. Denn der Reichtum des Landes wird schon im nächsten Kapitel dazu führen, dass feindliche Könige aus dem Norden in das Land einfallen, um zu rauben und zu töten. Lot wird in Gefangenschaft geraten - sein Onkel Abraham muss kommen und ihn retten.

Die Wahl die er traf, war nach Logik der reinen menschlichen Vernunft richtig. Und doch hat er sich verwählt. Er mag klug entschieden haben, aber nicht weise. Die Wahl des Landes wird ihn am Ende ruinieren. Seine Entscheidung war falsch - sie wird aber nicht als Sünde bezeichnet. Das NT nennt ihn - wie Abraham - einen „gerechten“. Ja, er siedelte sich ausgerechnet in der Gegend von Sodom an, von der es heißt: „Aber die Leute in Sodom waren böse und sündigten sehr gegen den Herrn.“ Gen. 13,13. Er wohnte bei den Bösen - aber er wurde keiner von ihnen. Im Gegenteil, im NT lesen wir, dass Lot durch das, was er dort sah und hörte, Tag für Tag gequält wurde. (2. Petr. 2,7-9).

Lot blieb im Herzen ein Gerechter, darum wird Gott ihn auch vor dem Untergang von Sodom und Gomorra warnen. Die Menge der bösen Menschen wird umkommen. Aber Lot ging nicht mit ihnen unter. Er wurde von Gott gewarnt, und er ließ sich warnen. Er floh rechtzeitig. Und zugleich ist Lot eine unglaublich tragische Gestalt: Als er seine Knechte und Angestellten und auch die künftigen Schwiegersöhne seiner Töchter ebenfalls warnen will, warnen soll, wollen sie nicht auf ihn hören.

Im Gegenteil, sie verspotteten ihn. Sie alle hätten mit Lot gerettet werden können. Das hatte Gott gesagt. Aber sie wollten nicht.

Schließlich konnte Lot nur seine beiden Töchter und seine Frau dazu überreden, Sodom zu verlassen. Seine Frau würde auf dem Weg zurück blicken, und dadurch umkommen. Lot endet allein mit seinen Töchtern, ohne alle Habe, denn mit den Knechten und Mägden musste er ja auch alles Vieh zurücklassen.

Wie konnte es so weit kommen? Warum wollte niemand mit ihm gehen? Er war doch eigentlich der Chef seiner Truppe?

Weil sie alle, die mit ihm nach Sodom gezogen waren, von den Reichtümern und der materiellen Zukunft, die Sodom versprach, geblendet und gefangen waren.

Warum war Lot überhaupt nach Sodom und Gomorra gegangen, wenn die Leute dort so übel waren, dass Gott die Städte untergehen ließ? Aus demselben Grund, der seine eigenen Leute von dort nicht wieder weggehen ließ: auch er war fasziniert vom materiellen Reichtum, vom dortigen Wohlstand.

Es ist schon so, wie Paulus sagt: 1. Tim. 6,8f: „Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen. Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung...

Die Geschichte Lots wiederholt sich ständig. Wo das Geld ruft, wird die Moral überhört. -

Die Geschichte wiederholt sich im Großen: Wie kommt es, dass wir mit Ländern wie Katar Geschäfte machen, obwohl Terroristen wie die Hamas von ihrer Unterstützung leben?

Oder mit China, in denen unzählige Menschen in Umerziehungslagern sitzen, Regimekritiker verschwinden und Christen verfolgt werden? -

Die Geschichte wiederholt sich im Kleinen. Wie oft erzählen mir Menschen bei Trauergesprächen von einem Teil ihrer Familie, Brüder, Schwestern, Onkel oder Tanten, mit denen man nicht mehr in Kontakt ist. Und wenn ich dann nachfrage, warum nicht, dann liegt dahinter oft ein Streit um eine Erbschaft. Da hat einer den anderen über den Tisch gezogen, oder etwas nicht gegönnt - und seitdem ist das Tischtuch zerrissen.

Wo das Geld ruft, da hört die Moral auf - und die sprichwörtliche Bruder- bzw. Geschwisterliebe oftmals auch.

Wie anders bei Abraham! „Es soll doch kein Streit zwischen uns sein, auch nicht zwischen unseren Hirten. Wir sind doch Brüder!

Und dann das großzügige Angebot: „Das ganze Land steht dir offen: Du kannst nach Norden gehen, dann gehe ich nach Süden; du kannst auch nach Süden gehen, dann gehe ich nach Norden. “ Such es dir aus! Mich berührt das. Und ich frage mich: Wieso konnte Abraham so großzügig sein?

Zwei Gründe will ich nennen.

1. Er hatte seine Prioritäten richtig gesetzt. Für ihn war die Familie, der gute Umgang mit den Menschen, wichtiger als alles Geld, alle Absicherung, aller Luxus.

Er wusste: Die Sache mit Lot muss ich im Guten klären. Wir gehören doch zusammen! Der Friede ist wichtiger als dass ich das beste Stück vom Land, das größte Stück vom Kuchen, bekomme.

Paulus wird seine Leute später fragen: „ Warum lasst ihr euch nicht auch mal übervorteilen? Warum streitet ihr sogar vor weltlichen Gerichten miteinander und tut einander Unrecht? “ Ihr gehört doch zu Jesus, (1. Kor. 6) Dh.: Ihr seid doch im Grund Brüder und Schwestern, die gemeinsam die Ewigkeit verbringen werden! Warum streitet ihr da um zeitliche Sachen? Setzt eure Prioritäten richtig!

Der moderne Menschen macht es meist umgekehrt: Erst das Geld, die Absicherung, der Luxus, dann alles andere. Erst das Geld, dann die Ehrlichkeit - darum wird so oft geschummelt und betrogen.

Erst das Geld, die Karriere, dann die Familie - darum bekamen früher viele Kinder ihre Väter kaum zu Gesicht, darum haben heute Eltern überhaupt oft kaum noch Zeit für ihre Kinder.

Oder: erst der Job, dann die eigene Gesundheit. Auch so eine von den vielen Fehlentscheidungen. Wollen wir eigentlich mehr wie Lot sein oder wie Abraham?

Für Abraham war die Prioritäten-Reihenfolge klar: Familie - dann die Arbeit, das Land und alles andere.

Warum konnte er das so sehen, auch wenn es ihm auf den ersten Blick ja Nachteile bringen würde? Zumindest riskierte er was, als er Lot sagte: Wähle du!

Weil - und damit komme ich zu Punkt 2.: Weil Abrahams aller oberste Priorität Gott war. Woran kannst du das erkennen? Daran, dass er am Anfang und auch am Ende der Geschichte Gott einen Altar gebaut hat. Von Lot hören wir das nicht. Aber von Abraham. Wo immer er hin kam, wollte er Gott die Ehre geben.

Gott hatte ihm versprochen, ihn zu segnen, ihm Nachkommen zu schenken und ihn in das verheißene Land zu führen. Und Abraham hatte das feste Vertrauen in seinen Gott, dass das auch so kommen würde. Gott würde für ihn sorgen - egal, wie Lot oder sonstwer sich entscheiden würde. Abraham hatte - zumindest an diesem Tag - ein Vertrauen in Gott, das Paulus einmal so ausdrücken würde: Gott kann dafür sorgen, dass alle Dinge uns zum Guten dienen müssen. Rö 8,28.

Oder mit Jesus gesprochen: Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. So trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, und all das wird euch zufallen. Mt. 6,32f.

Lot dagegen fragt in dieser Geschichte gar nicht nach Gott. Er lebt, als ob es Gott nicht gäbe. Er folgt allein seiner eigenen Einsicht. Und er ist am Ende bitterlich gescheitert.

Während Lot sich von dem, was vor Augen lag, steuern ließ, lässt Abraham sich - zumindest in dieser Geschichte und immer wieder - von oben, von Gott, steuern. Darum wurde Abraham zum Vater der Gläubigen, nicht Lot. Darum hat ihn die eigene Großzügigkeit nicht arm gemacht, sondern reich.

Geben, so zeigt sich bei Abraham, ist seliger als Nehmen.

Die alten Worte stimmen: Wer sich selbst vergisst, der findet, wer verzeiht, dem wird verziehen; wer stirbt, erwacht zu ewigem Leben.

Und wer von Gottes Gnade weiß, kann selbst leichter gnädig sein. Amen.

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