* Re: 2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker Re: 2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker Re: 2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker Re: 2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker Re: 2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker Hallo,
2006 - Gedenkjahr für zwei berühmte Mathematiker
Für die Freunde klassischer Musik ist 2006 das Mozart-Jahr, doch gibt es
auch für Mathematikliebhaber Möglichkeiten des Gedenkens. Da das Jahr noch
längst nicht zuende ist - gerade hat erst der Herbst begonnen -, möchte ich in
diesem Beitrag an zwei berühmte Mathematiker erinnern. Der eine wurde vor
zweihundert, der andere vor hundert Jahren geboren.
Augustus de Morgan (1806-1871)
De Morgan ist denjenigen, die sich mit mathematischer Logik beschäftigen, vor
allem durch die beiden nach ihm benannten Gesetze bekannt:
doch geht seine Bedeutung wesentlich weiter. Wie man dem Wikipedia-Artikel [1]
entnehmen kann, war er Mitbegründer und erster Präsident der London
Mathematical Society, verfaßte für eine mathematische Enzyklopädie über
siebenhundert Artikel, gab eine geometrische Deutung der komplexen Zahlen und
verwendete als erster den Begriff "mathematische Induktion".
Zusammen mit George Boole (1815-1864) gilt de Morgan als der Begründer
der formalen Logik. Boole hatte im Jahre 1854 ein Buch mit dem Titel Laws
of Thought veröffentlicht, in dem er zeigte, daß man mit Gedanken rechnen kann
wie mit Zahlen oder durch Buchstaben bezeichneten Variablen, falls sich die
Gedanken in klaren kurzen Sätzen mit Subjekt und Prädikat formulieren lassen.
De Morgan äußerte sich dazu bewundernd: "Dass die symbolischen Prozesse
der Algebra, ursprünglich zum Zweck numerischer Rechnungen erfunden, fähig sein
sollten, jeden Akt des Denkens auszudrücken und Grammatik und Wörterbuch eines
allumfassenden Systems der Logik zu liefern, dies hätte niemand geglaubt, bevor
es in »Laws of Thought« bewiesen wurde." [1]
Was nicht auf dieser Seite erwähnt wird und ich früher einmal woanders las: die
Methoden von Boole-de Morgan fanden sogar Einzug in gebildete gesellschaftliche
Kreise, in denen man sich sonst hauptsächlich über Kunst und Literatur
unterhielt und Gedichte vorlas. Logikrätsel, die rein gedanklich nur im Kopf
schwer zu lösen sind, wurden von Damen und Herren mit großer Begeisterung
"mathematisch" gelöst und dienten so als willkommenes
Gesellschaftsspiel. Noch hundert Jahre später erfand "Zweistein"
(Thomas von Randow) solche "Logeleien" vier Jahrzehnte lang zur
Freude ungezählter Leser der ZEIT.
Vor allem aber wird die Boolesche Algebra als Schaltalgebra in
vielen Bereichen technisch angewandt; auch der Computer
"lebt" von ihr.
Kurt Gödel (1906-1978) zusammen mit
Albert Einstein (Princeton 1950) [2]
Über Gödel, der "von vielen als der bedeutendste Logiker des 20.
Jahrhunderts" angesehen wird [3], kann und will ich hier nicht ausführlich
berichten. Viele Details, auch über sein am Ende unglücklich verlaufenes Leben,
findet man wieder bei Wikipedia und an anderen Stellen im Internet.
Nur das eine, wodurch er vor allem berühmt wurde, sei hier erwähnt, und zwar
nur kurz (hoffentlich nicht zu kurz): Gödel wies mit mathematischer
Strenge nach, daß es in der Mathematik Behauptungen gibt, deren Richtigkeit man
weder beweisen noch widerlegen kann; sie heißen "unentscheidbar".
Genaueres steht bei [4]. (Auf dem Matheplaneten gab es bereits vor zwei Jahren hier eine längere Diskussion zum
Thema "Sind unentscheidbare Aussage automatisch wahr?")
Viele wissen sicher nicht, daß Gödel auch einen formal-logischen Gottesbeweis versucht
hat, der von ihm allerdings nicht veröffentlicht wurde, sondern in seinem
Nachlaß enthalten war. Einzelheiten dazu findet man in [5]. Dort steht auch der
"Beweis" im Wortlaut, zusammen mit Formeln der mathematischen Logik.
Da sich das Ganze ziemlich schwer liest, zitiere ich ihn hier nach [7] ohne sie:
Axiom 1: Eine Eigenschaft ist genau dann positiv, wenn ihre Negation negativ
ist.
Axiom 2: Eine Eigenschaft ist positiv, wenn sie notwendigerweise eine positive
Eigenschaft enthält.
Theorem 1: Eine positive Eigenschaft ist logisch widerspruchsfrei (das heißt,
sie trifft möglicherweise in einem Beispiel zu).
Definition: Etwas ist gottähnlich genau dann, wenn es nur positive
Eigenschaften hat.
Axiom 3: Gottähnlichkeit ist eine positive Eigenschaft.
Axiom 4: Positiv sein ist logisch und deshalb notwendig.
Definition: Eine Eigenschaft P ist genau dann das Wesen von x, wenn x die
Eigenschaft P hat und P notwendigerweise minimal ist.
Theorem 2: Wenn x gottähnlich ist, macht Gottähnlichkeit das Wesen von x aus.
Definition: x existiert notwendigerweise, wenn es eine wesentliche Eigenschaft
hat.
Axiom 5: Notwendig existent sein ist gottähnlich.
Theorem 3: Notwendigerweise gibt es ein x so, daß x gottähnlich ist.
Nicht alles ist hier völlig klar. Was bedeutet zum Beispiel in der Definition nach Axiom 4 "minimal"? Darüber hinaus scheint es mir so zu sein, daß Gödel, wenn
überhaupt, nur bewiesen hat, daß es ein "x" gibt, das
"gottähnlich" ist. Über die Existenz Gottes ist damit
nichts gesagt. Im übrigen bin ich der Meinung, daß man mit Hilfe von Axiomen
nicht beweisen kann, daß es Gott wirklich gibt. Auch widerlegen läßt sich dies
nicht damit.
Gödels axiomatisches Vorgehen, das bereits von Baruch de Spinoza (1632-1677)
angewendet wurde, mag manche beeindrucken, vor allem, wenn man die für viele
geheimnisvollen logischen Zeichen mit hinzunimmt. Es kann sein, daß der eine
oder andere bei dem Beweisversuch denkt: "Zwar verstehe ich ihn nicht,
aber weil Gödel ein besonders kluger Mensch war, wird er wohl recht gehabt
haben." Auf eine solche, autoritätsgläubige Einstellung spielt eine
Anekdote über Leonhard Euler (1707-1783) an. Sinngemäß heißt es
dazu in [6]:
Am Hofe Katharina der Großen war Euler zu einer Diskussion mit dem französischen
Philosophen Diderot eingeladen. Dabei sollte er einen mathematischen Beweis für
die Existenz Gottes liefern. Euler fackelte nicht lange, stand auf und sagte zu
Diderot: "Mein Herr! (a+bn)/n ist gleich x , also existiert
Gott. Antworten Sie mir!" Diderot, der von Mathematik keine Ahnung hatte,
wußte nichts zu sagen und gab sich geschlagen. Diese kleine Geschichte ist
nicht verbürgt und wird am Anfang von [7], woher ich den Gödel-Text habe,
anders erzählt.
Hans-Jürgen
22.9.06
Bild- und Textquellen:
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Augustus_De_Morgan
Das Bild von de Morgan wird bei [1] als "gemeinfrei" bezeichnet, weil
seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
[2] Aus http://www-history.mcs.st-and.ac.uk/history/PictDisplay/Godel.html.
Dort sind noch mehr Bilder von Kurt Gödel.
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_G%C3%B6del
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delscher_Unvollst%C3%A4ndigkeitssatz
[5] http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Philosophie/Fuhrmann/papers/goedel.pdf (ab
S. 6)
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesbeweis (unter
"Zitate")
[7] http://www.physiologus.de/gottesbew.htm
von praeci
am Fr. 22. September 2006 18:10:58
Sehr schön und sehr informativ.
Danke. :-)
--Andi.
von FlorianM
am Sa. 23. September 2006 18:11:12 http://www.mathe1.de
Danke Hans-Jürgen für diesen informativen Artikel und die Würdigung, die von
diesem Artikel ausgeht. :-)
Gruss Florian
von Bernhard
am So. 24. September 2006 19:29:41
Vielen Dank, Hans-Jürgen!
Schade eigentlich, daß man allein hier darauf aufmerksam gemacht wird.
Für mich zählt Gödel auch zu den bedeutendsten Mathematikern - neben Hilbert,
dessen Ideen genauso faszinierend sind. Daß seine Vision einer abgeschlossenen
axiomatischen Mathematik gestürzt wurde, und das ausgerechnet durch Gödel,
verbindet die beiden besonders, schmälert aber nicht Hilberts Leistungen.
Nochmal vielen Dank
Und...nicht vergessen...in 2 Jahren, dann feiern wir Gödels 30.Todestag...
Bernhard
von Anonymous am Mi. 27. September 2006 21:19:30
In Wiener Mathspace dreht sich schon das ganze Jahr alles um Gödel und nicht um
Mozart ;) math.space.or.at/veranst3/
Aus einem der Vorträge habe ich zwei nette Kommentar zu dem oben gezeigten Bild
von Gödel und Einstein mitgenommen.
1) Der Vortragende meinte Gödel sehe auf dem Bild aus wie ein reicher
Plantagenbesitzer und Einstein wie einer seiner Arbeiter aus.
2) Angeblich soll Einstein nur zum mathematischen Institut gegangen sein um mit
Gödel gemeinsam nach Hause gehen zu können.
:)
Danke für den Artikel!
Mfg Boerns
von NotInterested
am Fr. 06. Oktober 2006 22:57:56
ist ein interessanter Artikel, aber ich widerspreche jetzt mal Herrn Gödel
philosophisch-logisch:
"Definition: Etwas ist gottähnlich nur dann, wenn es nur positive
Eigenschaften hat." Das ist aber schon naiv, denn damit entzieht er sich
der Realität und einen Gott darübersetzt, das ist so als würde ich mir einen
Sattel kaufen und dann irgendwie hoffen am Sonntagmorgen auf einem Pferd, das
nicht da ist zu reiten...
"Axiom 4: Positiv sein ist logisch und deshalb notwendig." Ich seh
das aber auch so: Negativ sein, ist genauso logisch und genauso notwendig.
Positiv sein kann unlogisch sein, aber dennoch notwendig oder unlogisch und
auch nicht notwendig und das Gleiche gilt für Negativ natürlich.
"Axiom 5: Notwendig existent sein, ist gottähnlich." Woher will er
denn das wissen? Wie wär's mit: Notwendig existent sein, ist völlig absichtslos
und reinzufällig.
lg
NotInterested