Zwei wenig bekannte Religionen
aus dem christlichen Umfeld
Vorbemerkung:
In privaten Vereinen, größeren Organisationen, Parteien und Glaubensgemeinschaften gibt es, so zeigt die Erfahrung, immer wieder macht- und sendungsbewusste Leiter oder selbsternannte "Führer", die bestimmen wollen, "wo es lang geht", und was geglaubt und getan werden muss. Diejenigen, die ihnen nicht folgen, werden kaltgestellt, bestraft und ausgestoßen, im schlimmsten Fall sogar umgebracht. Unzufriedene Mitglieder treten aus (wenn sie es noch können); es kommt zu Spaltungen und Neugründungen mit anderen Zielvorstellungen und Verhaltensweisen als bisher.
Zwei wenig bekannte, auf diese Weise entstandene religöse Gruppierungen mit eigener Neuorientierung, die eine aus der Antike, die andere aus der Neuzeit, beschreibe ich im Folgenden: die von ihren Gegnern so genannten Paulikianer, die sich selbst als "wahre Christen" bezeichneten, und die Deisten. Die Erklärungen stammen von verschiedenen Internetseiten und von Microsofts Künstlicher Intelligenz (KI) "Copilot".
A) Die Paulikianer
waren eine christliche Bewegung, die sich im 7. Jahrhundert in Armenien und Kleinasien entwickelte. Sie beriefen sich stark auf die Briefe des Apostels Paulus und lehnten viele Elemente der etablierten Kirche ab (s. u.).
· Verfolgung und Widerstand:
Ihre Lehre brachte sie in Konflikt mit der byzantinischen Kirche und dem Staat.
Sie wurden als Häretiker verfolgt, viele wurden hingerichtet oder deportiert.
Unter Kaiser Theodora II. wurden über hunderttausend Paulikianer getötet.
Einige flohen und gründeten ein eigenes Staatswesen in Tephrike (heute: Divriği, türkische Kleinstadt in Zentralasien), das sogar militärisch gegen das mächtige Byzanz vorging.
· Spuren bis heute:
Nach ihrer militärischen Niederlage wurden viele Paulikianer nach Thrakien umgesiedelt. Ihre Lehren lebten weiter
in Bewegungen wie den Bogomilen in Südosteuropa und später den Katharern in Frankreich.
Manche Forscher sehen eine Linie bis zu den Protestanten, wobei das eher spekulativ ist.
Die Paulikianer verbanden soziale Gleichheit mit religiöser Überzeugung, ein Gedanke, der in vielen späteren Reformbewegungen wieder auftaucht.
· Noch etwas mehr über ihre Theologie:
Die Paulikianer lehnten das Alte Testament und große Teile des Neuen Testaments ab, außer den Paulusbriefen und den Evangelien.
Jesus sahen sie als gottgesandten Propheten, aber nicht als Gott selbst; es gab bei ihnen keine Trinitätslehre.
Sie waren gegen Ikonen, Reliquien, Sakramente, den Marienkult und kirchliche Hierarchie,
verehrten nicht das christliche Kreuz – dieses galt ihnen als Götzenbild.
Die Ehe betrachteten Paulikianer nicht als sakramentale Institution; sie hatten keine Messe und keine Taufe in kirchlichem Sinn.
Ziel war die geistige Befreiung durch Erkenntnis und ein Leben in Einfachheit.
Sie betonten innere Erkenntnis statt äußerer Rituale, lehnten kirchliche Dogmen und Autoritäten ab.
Die Paulikianer verbanden ihre Theologie mit einer sozialen Vision:
Arbeit und gegenseitige Hilfe waren zentrale Werte.
Sie lebten in gemeinschaftlichen Strukturen, oft ohne Privateigentum.
Ihr Glaube war antiklerikal und egalitär – jeder konnte predigen; es gab keine Priesterkaste.
Interessant war auch das Gottesbild der Paulikianer. Sie glaubten dualistisch, d. h. zweifach: an einen Demiurgen, ein niederes, fehlerhaftes Wesen, das die Welt mit all' ihrem Unvollkommheiten und Schwächen erschuf, und an den, wie sie ihn nannten, "fremden Gott". Diesen sahen sie als den wahren Gott des Lichts und des Geistes, der jenseits der sichtbaren Welt existiert und mit ihr nichts zu tun hat.
Anmerkung: der Begriff Demiurg stammt vom Altgriechischen demiourgos=Handwerker, Kunsthandwerker und hat eine lange Tradition. Bei Platon ist der Demiurg ein formender Geist, der "ewige" gedankliche Urbilder ("Ideen") als Vorlage nimmt und daraus die materielle Welt gestaltet. Er ist nicht allmächtig und wird manchmal als böswillig oder unwissend dargestellt.
· Quellenlage:
Die meisten Informationen über die Paulikianer stammen aus kirchlichen Gegenschriften, die sie als Häretiker diffamierten. Hier werden sie im Titel einer theologischen Schrift aus dem Jahre 1893 eines hohen armenischen Geistlichen mit dortigen "Ketzern" in Verbindung gebracht. (Nachdruck des Werks 2019; mehr über sie in der Leseprobe S. 4 bis 6.)
B) Deismus
Als Reaktion auf etablierten Kirchenglauben und konfessionelle Spannungen entstand der Deismus tausend Jahre später,
d. h. im 17. Jahrhundert, in einigen europäischen Ländern und den USA. Vordenker wie John Locke, Voltaire und Thomas Paine forderten eine Religion, die sich ausschließlich an Vernunft und naturwissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Der Deismus trug entscheidend zur Aufklärung und zur Trennung von Kirche und Staat bei. Abgeleitet ist das Wort vom lateinischen deus fürt Gott.
Deisten glauben an ihn, aber anders, als es in der Bibel steht und von den Kirchen verkündet wird.
· Gott sehen sie als Urheber und Gesetzgeber der Natur, der nach der Erschaffung des Universums nicht weiter in dessen Abläufe eingreift.
· Deisten schreiben Gott keine menschlichen Eigenschaften zu und vertreten keine teilweise unglaubwürdigen, in sich
widersprüchlichen Lehren.
· Sie glauben nicht an göttliche Wunder und an ein Weiterleben nach dem Tod, nicht an einen zornigen Gott und dass
  er, andererseits, "Liebe" ist. (1.Joh.4,8) Deisten halten es nicht für möglich, mit Gott eine "Beziehung" einzugehen und mit
ihm zu "reden".
· Im Namen des Deismus wurden keine Kreuzzüge und Glaubenskriege geführt; er verbreitete nicht Angst und Schrecken unter Gläubigen wie Nichtgläubigen.
· Es gibt bei ihnen nichts Abstoßendes und Verwirrendes wie in 1.Sam18,27 und Luk14,26, keine Billigung von Völkermord (Apg13,19), keine Strafandrohungen Gottes mit Vernichtung und Tod (in allen erdenkbaren Details breit beschrieben im AT) und keine Höllenqualen (Mat13,42, Offb14,11).
In Bezug auf die letzten beiden Punkte wirkt der Deismus auf mich recht anziehend.
Zusammenfassung: Grundprinzipien und Deismus heute
Gott als Schöpfer und Architekt der Naturgesetze, nicht als Eingreifender
Ablehnung von Wunderglauben, Untergangspredigten und geistlichen Autoritäten
Wertschätzung menschlicher Vernunft als alleinige Quelle für Moral und Erkenntnis
Freiheit im Denken: individuelle Suche nach Wahrheit und ethischer Lebensführung
Abgrenzung zum Theismus:
Im Unterschied zu diesem wird Gottes Wirken seit der Schöpfung nicht fortgesetzt.
Anders als im Atheismus bleibt Gott als erste Ursache und Ursprung aller Dinge bestehen.
Deisten verzichten bewusst auf Schriften wie Bibel oder Koran als verbindliche Glaubensgrundlage. Es gibt bei ihnen kein Glaubensbekenntnis und keine Rituale. Auf Grund ihrer Voraussetzung, dass Gott nicht in das Weltgeschehen eingreift, können Deisten nicht zu ihm beten, können sie weder Gott bitten, noch ihm danken. Sie haben aber auch nicht das anscheinend unlösbare Theodizeeproblem (Wikipedia; kürzer von mir).
Sie haben keine eigenen Kirchengebäude und Priester. Meist bilden sie nicht hierarchisch gegliederte, kleine bis mittelgroße Gruppen, bisweilen in Form eines eingetragenen Vereins (e.V.). Moderne Deisten organisieren sich in losen Netzwerken, lesen Klassiker aus der Aufklärung und diskutieren Naturphilosophie. Zahlreiche Online-Foren, Blogs und regionale Stammtische bieten Raum für Dialog über Wissenschaft, Ethik und Spiritualität ohne Dogmen. Deistische Überzeugungen finden sich häufig bei Menschen, die sowohl naturwissenschaftlich als auch spirituell interessiert sind.
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