Zöllner und Pharisäer

Unser Pastor predigte über Markus 2,13-17. Darin wird berichtet, wie Jesus einen der im Volk verhassten Zöllner auffordert, ihm zu folgen. Dieser tut es, läßt alles stehen und liegen und lädt später Jesus und seine Jünger zu einem Festessen in sein Haus ein. Weitere Gäste sind Freunde und Berufskollegen des Zöllners, und alle haben denselben schlechten Ruf wie er. Beobachtet werden sie von den Pharisäern, die die Jünger Jesu fragen, warum sich ihr Meister mit diesem "Gesindel" abgebe. Jesu Antwort ist, dass "Gesunde keinen Arzt brauchen, wohl aber Kranke" und dass er gekommen sei, Menschen in die Gemeinschaft mit Gott zu rufen, die ohne ihn leben - und nicht solche, die sich sowieso an seine Gebote halten.

Die Lehre daraus für uns ist: wir sollen nicht überheblich sein, uns nichts auf unser "Christsein" einbilden. Über andere, die nicht so sind und glauben wie wir, sollen wird nichts Schlechtes reden und denken, sondern liebevoll und barmherzig zu ihnen sein. Ja, barmherzig, denn, so sagte der Pastor, auch wenn sie körperlich gesund sind, fehlt es ihnen daran geistlich, und sie verdienen unser Mitgefühl.

Die Pharisäer galten als sehr gottesfürchtig und in der Einhaltung religiöser Vorschriften als überaus korrekt; gleichzeitig wurden ihnen aber auch Stolz und Selbstgerechtigkeit nachgesagt. Eine Bibelstelle, die dies zum Ausdruck bringt, ist Lukas 18, 9-14. Möglicherweise bildete sie den Anlass für die bekannten Verse von Eugen Roth:

Ein Mensch betrachtete einst näher / die Fabel von dem Pharisäer, / der Gott gedankt voll Heuchelei / dafür, dass er kein Zöllner sei. / Gottlob! rief er in eitlem Sinn, / daß ich kein Pharisäer bin.

Das ist witzig gedichtet und löst wohl meist ein amüsiertes Lachen aus. Verspottet und bloßgestellt wird jemand, der sich wie ein Pharisäer verhält, ohne es zu merken.

Aber wie ist es, genau genommen, mit uns, wenn wir über ihn lachen, wenn wir uns über ihn erhaben dünken? Sind wir dann nicht auch "Pharisäer"? Setzt sich die Kette nicht in uns fort? Eugen Roths Gedicht hat etwas Hintergründiges, das auf den ersten Blick nicht sofort zu bemerken ist.

Hier noch ein hübsches Zitat aus dem Internet: "Ein Pfarrer traf einen Nachbarn auf der Straße. „Nichts für ungut, dass ich nicht zur Kirche komme, aber da sind mir zu viele Heuchler.” Der Pfarrer antwortet freundlich: „Für einen mehr wäre schon noch Platz”." (www.kirche-raderthal.de/Predigt/pr_060423.htm)

Anmerkung: die Zöllner im alten Israel waren im Auftrag der römischen Besatzungsmacht tätig und wirtschafteten oft ungerecht in die eigene Tasche.

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