"Wer nicht zu Gott betet, betet zum Teufel" . . .

. . . sagte Papst Franziskus in der ersten Messe nach seiner Wahl am 14. März 2013 zu den in der Sixtinischen Kapelle versammelten Kardinälen. Dies geht aus einer Mitteilung der Erzdiözese Wien hervor.1

Tags darauf wurde er deshalb in der Presse und im Internet scharf angegriffen und verurteilt. Seine Kritiker stützten sich aber nicht auf den kirchlichen Bericht, sondern auf das, was die Tagesschau über den Vorgang verbreitete.2

Zum Vergleich zitiere ich im folgenden aus beidem:

1 " ... Wenn man nicht geht, bleibt man da stehen. Wenn man nicht auf Stein aufbaut, was passiert dann? Es geschieht das, was den Kindern am Strand passiert, wenn sie Sandburgen bauen: Alles fällt zusammen, es hat keine Festigkeit. Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, da kommt mir das Wort von Léon Bloy in den Sinn: 'Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel.' Wenn man Jesus Christus nicht bekennt, bekennt man die Weltlichkeit des Teufels, die Weltlichkeit des Bösen."

2 "'Wenn der Mensch nicht geht, bleibt er stehen', predigte er. 'Wenn man nicht auf die Felsen baut, was passiert dann? Das, was Kindern passiert, die am Strand spielen und Sandburgen bauen. Irgendwann fällt alles ein - ohne Festigkeit. Wenn sich der Mensch nicht zu Jesus Christus bekennt, geschieht, was wir bei Leon Bloy lesen: Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel. Wer sich nicht zu Christus bekennt, gibt die Welt der Weltlichkeit des Teufels anheim.'"

Das von mir kursiv Hervorgehobene zeigt den Unterschied. Er fällt nur bei sorgfältigem, nachdenklichem Lesen auf, zu dem die Kritiker offenbar nicht fähig oder willens waren.

Aus dem ersten Abschnitt geht hervor, daß der beanstandete Satz nicht von Papst Franziskus selber stammt, sondern von einem der Allgemeinheit wenig bekannten französischen Schriftsteller und katholischem Sprachphilosophen. Der Satz kam dem Papst lediglich "in den Sinn"; er sprach ihn aus und knüpfte daran etwas über die "Weltlichkeit des Teufels", das von der Tagesschau offenbar mißverstanden und deshalb nicht im gleichen Sinn wiedergegeben wurde.

Darüber hinaus verdrehte ein atheitischer Blogger3, der auch für eine angesehene Zeitung schreibt, noch mehr. Er behauptete: "'Wer nicht zu Gott betet, betet zum Teufel', rief Franziskus aus und erklärte damit alle Nicht-Gottgläubigen auf einen Schlag zu Dienern des Satans." Das ist falsch, denn nach der Wiener Diözesan-Mitteilung1 sprach der Papst ruhig, ja "leise", so daß davon, daß er besagten Satz "ausrief", nicht die Rede sein kann. Hierbei handelt es sich um eine der üblichen, auf Sensation abzielenden journalistischen Übertreibungen. Der Betreffende verstieg sich auch noch dazu, daß man den Papst eigentlich wegen "Volksverhetzung" anzeigen müßte.

Ein weiterer Blogger bediente sich bei seiner auf dem Tagesschau-Bericht basierenden Tirade häßlicher, gemeiner Wörter. Ähnliches gab es noch mehr in Zeitungsartikeln und auf Internetseiten. Viele Schreiber scheinen ihre abfälligen Äußerungen einfach mit "Copy&Paste" übernommen zu haben, meist ohne Quellenangabe.

Abgesehen von alledem: Papst Franziskus hat sich Franz von Assisi zum Vorbild und Namensgeber gewählt. Ihm wird ein berühmtes Gebet zugeschrieben, das so beginnt:

"O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
. . . "

Es paßt nicht zu der absurden Behauptung, der neue Papst hätte alle Menschen, die nicht zu Gott beten, zu Teufelsanbetern erklärt. (Franz von Assisi wird von den Katholiken als Heiliger verehrt. Das Gebet wird auch in nichtkatholischen Gottesdiensten gesprochen und gesungen.4)

Papst Franziskus gilt als bescheidener, mitfühlender Mann, dessen Herz vor allem für die Armen schlägt. In seiner Kirche erwarten ihn schwierige Aufgaben. Zu ihrer Lösung wünsche ich ihm die nötige Kraft und Gesundheit.

Nachtrag: Das Medienecho auf den neuen Papst wird freundlicher, und das innerhalb weniger Tage. Die "Teufels"sache gerät zunehmend in den Hintergrund. Bei Katholiken ist er ohnehin schon jetzt beliebt; aber auch bei Nichtkatholiken findet Franziskus Anerkennung und Sympathie. Hier ein Rundfunkbeitrag von evangelischer Seite: http://www.mdr.de/kultur/papstwahl128.html; man beachte den letzten Absatz über das Verhältnis des Papstes zu Deutschland.

1 http://www.erzdioezese-wien.at/content/news/articles/2013/03/15/a28843/
2 http://www.tagesschau.de/ausland/papst-franziskus112.html
3 http://freie.welt.de/2013/03/15/der-fundamentalistische-papst-und-sein-teufel/
4 vielfach im Internet und auch z. B. im Evangelischen Gesangbuch, Ausgabe für die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche, Nr. 416

Weiteres über den Papst aus dem Internet:
Papst contra Mafia       "Glück ist keine Smartphone-App"

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