Der Glaube und die "Vierte Dimension"

Wir leben in einem dreidimensionalen Raum. Das bedeutet, daß wir jeden Ort in ihm anhand von drei aufeinander senkrecht stehenden, skalierten Geraden, den Koordinatenachsen, durch die Angabe dreier Zahlen eindeutig bestimmen können. Mehr brauchen wir nicht, und eine vierte Kordinatenachse, die auf den drei anderen senkrecht steht, ist nicht denkbar.

Die Idee einer Vierten Dimension war im Altertum, im Mittelalter und zum Beginn der Neuzeit, soweit ich weiß, unbekannt und verbreitete sich erst ab dem Ende des 19. Jahrhunderts im Anschluß an ein Buch des britischen Theologen und Schriftstellers Edwin A. Abott unter Wissenschaftlern und interessierten Laien.

1884 veröffentlichte er eine sozialkritische Novelle mit – was verwundern mag – starkem geometrischem Einschlag. Die Novelle hat den englischen Titel "Flatland" und erschien im Laufe der Zeit auf Deutsch mehrfach unter "Flächenland". Sie handelt von erdachten Lebewesen, die in einer nur zweidimensionalen Welt leben. Diese können sich nur vor-, rück- und seitwärts bewegen; die Begriffe "oben", "unten" und "Höhe" sind ihnen unbekannt und werden nicht gebraucht. Der Gedanke, daß etwas "über" ihnen ist, das auf sie "herabschaut", kommt ihnen nicht. Bis auf eine Ausnahme: ein besonders intelligenter "Flachländer" hat eines Tages ein seltsames Erlebnis, das er sich nach langem Nachdenken durch die Annahme von etwas Räumlichen angenähert erklären kann. Worum es sich dabei handelt, kann man außer dem Buch hier meiner Homepage entnehmen. Dort steht auch, welche paradoxen Erscheinungen sich ergeben, wenn man vom "Flächenland" in unseren dreidimensionalen Raum überwechselt und annimmt, daß dieser in einen vierdimensionalen "eingebettet" sei. (Ein amerikanischer "Illusionist", d. h. Zauberkünstler, machte bis zu seiner Entlarvung als Betrüger hiervon gewinnbringend Gebrauch, indem er bei seinen Vorführungen behauptete, er stehe mit "Geistern" in der Vierten Dimension in Verbindung.)

In einem heutigen Video des angesehenen, christlich eingestellten Informatik-Professors Werner Gitt wird anhand physikalischer Argumente versucht, die Vierte Dimension als etwas Reales hinzustellen und, was schwerer wiegt, als Aufenthaltsort Gottes. Selber halte ich nichts davon, obwohl ich Teile seiner Ausführungen durchaus verstehe.1,2 Gott ist für mich unerklärbar; Ihm und Seinem Wesen von menschlicher Seite aus auf mathematisch-naturwissenschaftliche Weise näherkommen zu wollen, ist in meinen Augen im Ansatz verfehlt.

Ich glaube an die Existenz von Gottes Unsichtbarer Welt, wie sie in der Bibel angedeutet wird3, und habe Gründe dafür, die ich hier, um nicht zu weitschweifig zu werden, nicht nennen möchte.

Auch ist mir bekannt, daß in der Physik gedanklich und erfolgreich mit einem auf Einstein zurück gehenden vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum operiert wird, doch sieht dieses anders aus als die "geisterhafte" Vierte Dimension, von der oben die Rede ist, und hat nichts mit Gott zu tun.

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1Nachdem in dem Video ausführlich die Begriffe "Ereignishorizont" (aus dem Vokabular der Astronomen und Weltraumforscher) und "Dimension" (als Ausdehnung) erklärt worden sind – beide bedeuten etwas Verschiedenes – , werden sie an der Zeitmarke 41min29s einander gleichgesetzt. OT: "Eine Dimension ist ein Ereignishorizont." Andere Vermischungen von Nicht-Zusammenghörigem im Hinblick auf die Bibel, Gott und die "Vierte Dimension" lassen mich an der Stichhaltigkeit des Vorgetragenen insgesamt zweifeln.
2Dem Video sehr ähnlich ist diese Lesepredigt von Robert Nowak, die sich ihrerseits auf das Buch "Die Demission des wissenschaftlichen Materialismus" des britischen Chemikers und Pharmakologen A. E. Wilder-Smith beruft.
3Siehe z. B. hier, Vers 18, und hier, Verse 15 und 16.

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