Über mein Verhältnis zur Kirche

Getauft wurde ich und konfirmiert, doch stehe ich der Kirche distanziert gegenüber und gehöre ihr nicht an.1 Dies bringen die folgenden kurzen Verse zum Ausdruck, die anschließend erklärt werden.

Ich bin nicht drin,
doch geh' ich hin,
zu dienen und zu lernen.
Dass ich einst ausgetreten bin,
das hatte seinen Grund und Sinn:
es kam durch die Gott Fernen.

Als Gründe für den Kirchenaustritt hört man des öfteren: Unglaube an Gott; Verbrechen der Kirche im Laufe ihrer fast zweitausendjährigen Geschichte; sittliche Verfehlungen, die lange vertuscht wurden und erst jetzt nach und nach publik werden; die Kirchensteuer. Keiner von ihnen spielte bei mir eine Rolle. Es war etwas anderes.

Schon vor längerem gab es in meiner norddeutschen Nachbarschaft eine Kirchengemeinde, in der für atheistische Regime und Bewegungen in Mittelamerika, Afrika und Asien Propaganda gemacht wurde. In einer anderen, mir bekannten, hing im Gemeindesaal die rote Fahne mit Hammer und Sichel. Wiederum woanders predigte der Pastor in einem Konfirmationsgottesdienst sozusagen "mit Marx- und Engelszungen"2, und ein weiterer verzichtete beim gleichen Anlass ganz auf die Predigt, nachdem er sich vorher spöttisch über sie geäußert hatte. In den Kirchenvorständen bis hin zu den höchsten Leitungsgremien lehnten viele die atheistische Ideologie derjenigen Großmacht nicht ab, die mit tödlichen Grenzsperren jahrzehntelang unser Land gespalten hielt. All' das und einiges mehr führten dazu, dass ich aus der Kirche austrat.3 Die eingesparte Kirchensteuer verwende ich seither für karitative Zwecke.

Besagte Ideologie ist in der evangelischen Kirche bis heute spürbar. Hinzu kamen auf unpolitischem Gebiet bibelwidrige Strömungen und Praktiken.4,4a Auch gibt es Auseinandersetzungen zwischen "konservativen" und "liberalen" (bzw. "progressiven") Pastoren und Kritik an der evangelischen Theologenausbildung.5 So besteht für mich wenig Anlass, der Kirche erneut beizutreten.

Natürlich findet sich nicht in allen Gemeinden das, was mich abstößt. Dort, wo ich wohne, gibt es drei evangelisch-lutherische Kirchen. In ihnen stehen Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist im Mittelpunkt. Extremistische Züge wie bei manchen Sekten6 fehlen. In die mir am nächsten gelegene der drei Kirchen gehe ich jeden Sonntag zu den Gottesdiensten, arbeite bei manchem in der Gemeinde mit und unterstütze sie finanziell bei bestimmten Projekten.

In ihr habe ich viel Gutes gelernt und bin dankbar dafür.

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1 Zu unterscheiden ist zwischen der ursprünglichen Bedeutung des Begriffs "Kirche" als geistliche Gemeinschaft aller Christen weltweit und der Kirche als Organisation. Nur auf Letztere bezieht sich der obige Teilsatz.
2 Titel eines Buches von Wolf Biermann (Wikipedia)
3 a) Buch von Jens Motschmann: "Die Pharisäer - Die evangelische Kirche, der Sozialismus und das SED-Regime". Aus der Besprechung: "Erneut packt der streitbare Bremer Pfarrer Jens Motschmann ein 'heißes Eisen' an. Neben der notwendigen Kritik an der Rolle der evangelischen Kirche in der DDR nimmt er vor allem die Haltung der evangelischen Kirchenführer in Westdeutschland kritisch unter die Lupe: Sie übernahmen Parolen des SED-Regimes, widersetzten sich der Wiedervereinigung, förderten marxistische 'Befreiungsbewegungen' in aller Welt, verteufelten die Marktwirtschaft und beschönigten die Verhältnisse im unfreien Teil Deutschlands...."
b) Die Kirchen scheuen sich zu oft, ihre Rolle als Sinnstifter zu erfüllen. "Wenn ich mir" ... "die Morgenandacht anhöre - das ist ja alles ganz interessant, aber einen Pfarrer brauche ich dafür eigentlich nicht. Da reduziert sich die kirchliche Botschaft auf Sozialbetreuung, und der Rest wird fast schamhaft verschwiegen - der liebe Gott, das unbekannte Wesen." Norbert Blüm, ehem. Bundesminister, in einem Interview mit dem SPIEGEL (Ausgabe 48/95 vom 27.11.95). Anm.: Norbert Blüm, in seinem langen Leben allezeit und allseits beliebt und anerkannt, verstarb am 24.4.2020 im Alter von 84 Jahren. Würdigung. (Falls diese Seite im Laufe der Zeit nicht mehr angezeigt wird, kicken Sie bitte hier.)
4 Elisabeth Motschmann: "Christa und die Heilige Geistin", www.motschmann.net/?p=173#more-173
4aBIblisches FOrum des Betanien Verlags: "EKD-Referent: Praktizierte Homosexualität ist keine Sünde", s. auch die Diskussionsbeiträge.
5 Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen: "Streit in der Kirche",
www.ekd.de/download/EZWINF45.pdf. CGD Christlicher Gemeinde-Dienst: "Bekenntnisse der Hölle"
6 Breitgefächert, informativ: Winfried Müller "Klassische Sekten ... ", http://www.religio.de/sekten/sekten.html
Anmerkung: die in den vorstehenden Fußnoten genannten Texte sind schon älter. In der Zwischenzeit hat sich die Situation dem Vernehmen nach nicht verbessert.

www.welt.de~Die-Deutschen-glauben-so-ziemlich-alles.html (davon Kopie ohne Bilder)

Wie in den USA kann auch bei uns jeder eine eigene "Kirche" gründen. Über ein seltsames Beispiel wird hier berichtet. – Und hier über etwas ganz Verrücktes: eine Kiffer-"Kirche" in Amerika.

An Oberflächlichkeit kaum zu überbieten: "Kirchen wappnen sich für mitgliederschwache Zukunft" (2019)