»Hallo! Grüß Gott! Und wenn Sie weit im Norden wohnen: Moin! 1)

Ich bin neu in der Gemeinde, bin der Klingelbeutel.2) Vor mir gab es neben der Eingangstür auf einem Tisch nur ein rundes Metallgefäß und einen Holzkasten, beide mit einem Schlitz. In sie konnte man beim Hinausgehen nach dem Gottesdienst Geld stecken, mit Bedacht, unbeobachtet und mit eigenem Tempo. Es gab jeweils zwei Zielsetzungen bzw. Projekte zur Auswahl, die den Spendern unterschiedlich am Herzen lagen.

Schnell werde ich durch die Reihen gereicht, für manche, habe ich den Eindruck, zu schnell. Sie sind, weil dabei gesungen wird, in ihr Gesangbuch vertieft und erschrecken leicht, wenn ich plötzlich bei ihnen bin, auch wenn sie damit rechnen mussten. Hastig und wie nebenbei werfen sie ihr Geld ein. Eigentlich sollte es eine kleine Opferhandlung sein mit entsprechenden Gedanken. Viele suchen wegen der Nachbarn zu verbergen, was sie geben. Bloß nicht auffallen mit zu wenig oder zu viel! Man könnte für geizig oder prahlerisch gehalten werden.

Selber bin ich ja diskret. Gut ausgepolstert mit Stoff, klingelt es bei mir nicht, im Gegensatz zu meinem Namen. Er rührt daher, dass in früheren Zeiten am Klingelbeutel ein kleines Glöckchen befestigt war, das eingeschlafene Gottesdienstbesucher sanft wecken sollte, vgl. hier.«

Dazu noch: Wie's einem gehen kann - Der Klingelbeutel geht herum3)

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Nachtrag
Das Einsammeln von Geld während des Gottesdienstes war früher in der Kirche, in die ich sonntags seit vielen Jahren gehe, nicht üblich. Es entspricht dem Kollektengesetz (KollG) der Nordkirche vom Oktober 2016. Dazu heißt es auf dieser Internetseite, dass die Kollekte "ein unverrückbarer Teil der Liturgie eines Gottesdienstes" ist. Erklärt wird hier, wann und wie der Klingelbeutel verwendet werden soll, auch in Verbindung mit dem Singen der Kirchenlieder. Bereits nach wenigen Wochen wurde in "meiner" Kirche die Verwendung des Klingelbeutels wieder abgeschafft und zum alten Verfahren zurückgekehrt.

1) Grußwörter   H    G    M
2) Das Bild ist aus dem Internet.
3) Zu meiner Überraschung aus einer Predigt in der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom, die ich vor ein paar Jahren während des Konfirmationsgottesdienstes besuchte. Gepredigt und gesungen wurde auf deutsch und italienisch. Wir sangen die gleichen Lieder wie bei mir zu Hause – in beiden Sprachen. Eindrucksvoll: die mit Mosaik im byzantinischen Stil ausgelegte Apsis. Aus ihr blickt der "Pantokrator" (All- oder Weltenherrscher) Jesus auf die Gemeinde. Die Kirche wurde in den Jahren 1911-22 erbaut.

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