Kleiner Logik-Exkurs

Auf der untersten Stufe der mathematischen (auch "formalen") Logik werden einfache Aussagen wie "Rom ist die Haupstadt Italiens", "Die Erde ist eine Scheibe.", "Es gibt blaue Rosen." betrachtet. Die erste dieser drei ist wahr, die zweite falsch, und bei der dritten weiß man's nicht so genau. Fest steht jedoch eines: entweder es gibt blaue Rosen, oder es gibt sie nicht. Dies gilt allgemein für alle Aussagen vom obigen Typ: sie können nicht gleichzeitig wahr und falsch sein. Wenn eine Aussage wahr ist, ist ihre Verneinung falsch und umgekehrt. Dies ist so selbstverständlich und unmittelbar einleuchtend, dass es nahezu überflüssig erscheint, wenn darauf hingewiesen wird.

Aber Vorsicht! Jemand (s. u.) hat sich folgendes ausgedacht:

(1) "Dieser Satz enthält sechs Wörter." Seine Verneinung lautet:
(2) "Dieser Satz enthält nicht sechs Wörter."

(1) ist falsch, denn es sind nur fünf Wörter. (2) ist aber auch falsch, denn nun sind es sechs.
Das aber darf nach dem Vorstehenden nicht sein: da (2) die Verneinung des falschen Satzes (1) ist, müsste (2) wahr sein - ist es aber nicht!

Dieses seltsame Logikproblem fand ich unter "Humor in der Mathematik" hier, verbunden mit der Bemerkung: "Die Negation einer falschen Behauptung ist nicht immer eine wahre Aussage." Sie steht im Widerspruch zum Inhalt des obigen ersten Abschnitts.

Ernsthafter und gründlicher wird es, wenn der Begriff "Selbstbezüglichkeit" [1],[2] mit ins Spiel kommt. Satzpaare wie (1) und (2) haben diese Eigenschaft und führen in die Aporie, d. h. Auswegslosigkeit. Auch ein einzelner Satz kann unauflösbar selbstbezüglich sein. Ein Beispiel dafür ist die manchmal von Atheisten in provokativer Absicht gestellte Frage: "Kann der allmächtige Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass Er ihn selber nicht hochheben kann?" Da es auf sie keine sinnvolle Antwort gibt, ist auch die Frage sinnlos. Sie ist es ebenso wie wenn man fragte: "Kann Gott einen viereckigen Kreis machen?" und muss, schon aus logischem(!) Grund, zurückgewiesen werden.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstreferenzialit%C3%A4t
[2] https://books.google.de/~selbstbez%C3%BCgliche+s%C3%A4tzen+geht+man+aus+dem+weg~
Hier ist auch erkennbar, dass das obige rätselhafte Satzpaar vermutlich auf den Mathematiker Bernhard Bolzano (1781-1818) zurückgeht.

Anmerkung
übersetzt man die beiden Aussagen (1) und (2) ins Französische:
(1) "Cette phrase contient six mots."
(2) "Cette phrase ne contient pas six mots.",
ergeben sich keine logischen Probleme:
(1) ist weiterhin falsch, (2) als Verneinung von (1) dagegen wahr, wie es sein soll.
Es kommt also evtl. auf die verwendete Sprache an, ob ein bestimmtes logisches Problem sinnvoll ist oder nicht. Das ist, finde ich, schon für sich seltsam genug.

Fortsetzung
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