Über die Ewigkeit

"Das dauert ja ewig bei dir", sagt zum Beispiel eine Mutter ungeduldig zu ihrem Kind, wenn dieses sich beim Anziehen zuviel Zeit läßt und sie selbst es eilig hat. Die Mutter übertreibt, denn gewöhnlich denkt man bei dem Wort "ewig" an etwas unendlich Ausgedehntes. Auch wenn jemand von sich sagt, er habe "eine halbe Ewigkeit" gewartet, macht er, streng genommen, einen Fehler: etwas unendlich Großes läßt sich nicht halbieren.

"Ich glaube ... an das Ewige Leben" heißt es im christlichen Glaubensbekenntnis - hier ist tatsächlich etwas gemeint, das kein Ende hat. Es hat aber einen Anfang: den Tod.

Keinen Anfang (und auch kein Ende) hat hingegen Gott, der Allmächtige und Ewige.

Nach einer Wikipediaseite, die diesem Thema gewidmet ist, dachte man über den Begriff "ewig" nicht immer so, wie wir es tun. Einst bedeutete er nicht unbedingt eine ein- oder zweiseitig unendlich ausgedehnte Zeitspanne, sondern es konnte damit auch eine endliche gemeint sein, z. B. das menschliche Leben.

Diese frühere Denk- und Sprechweise hatte und hat bis heute Auswirkungen auf die Übersetzung und Auslegung der Bibel, vor allem des Neuen Testaments.

Bekanntlich wurde dieses ursprünglich auf griechisch geschrieben; ein hebräischer Urtext, falls es ihn gab, wurde bisher nicht gefunden. Die Griechen hatten das Wort "Äon" ("aion"), das nicht nur in der Originalfassung des NT häufig vorkommt, sondern auch von uns gelegentlich als Fremdwort verwendet wird, wenn wir "seit Äonen" sagen. Ursprünglich war seine Bedeutung schwankend.

Dies führte dazu, wie es bei Wikipedia heißt, dass zum Beispiel Luther Äon auch mit "Welt" übersetzte, während es in [1], offenbar wegen seiner Unbestimmtheit, unübersetzt bleibt.

In dem Buch [2] dagegen wird es übersetzt, und dort kann man lesen (S. 36, Anm.7):

"Die ursprüngliche Bedeutung von Äon ist »Menschenleben«, ... Von da abgeleitet kann das Wort bedeuten (a) »lange Zeit« ... oder (b) eine bestimmte Zeitperiode, »Zeitalter«."

Das liturgische "von Ewigkeit zu Ewigkeit" bringt ebenfalls zum Ausdruck, dass "ewig" früher etwas Endliches bedeutete. Wäre sie unendlich ausgedehnt, gäbe es nur eine Ewigkeit und keinen Übergang von einer zur anderen. 1

Aus [2] seien noch drei weitere, nicht allzu lange Abschnitte zitiert, zunächst von S. 32:

"Die alten Griechen stellten sich vor, dass ein bestimmtes Schicksal das Menschenleben beherrschte und wenn Äon dann im weiteren Sinn auch »Zeitraum« bedeuten konnte, dachte man dabei immer noch an die Macht oder den Geist oder die Prinzipien, die so einen Zeitraum beherrschten. Im NT bezieht sich dieses Wort auf eine bestimmte »Haushaltung« oder Heilszeit, die durch bestimmte Kennzeichen oder geistliche Prinzipien beherrscht wird."

Dabei heißt es weiter - belegt durch zahlreiche Bibelstellen - , dass sich im NT zwei solcher "Zeitalter" gegenüberstehen: das gegenwärtige, die "Haushaltung des Bösen", und das zukünftige, messianische, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen.
"Das »gegenwärtige Zeitalter« ist also nicht allein eine Zeitangabe, sondern eine Bezeichnung für die Lebensweise, die dieses Zeitalter kennzeichnet." 2
S. 32 unten, S. 33:

"Nach jüdischer Vorstellung war Rettung aus dem »gegenwärtigen Zeitalter« nur durch Anbruch des messianischen »zukünftigen Zeitalter« möglich. Und tatsächlich sorgt das Erlösungswerk Christi dafür, dass alle Gläubigen einmal wirklich dieses messianische Zeitalter miterleben werden. Aber mehr noch. Dasselbe Werk Christi erlöst uns schon jetzt vom »gegenwärtigen Zeitalter«! Das heißt konkret: Die Gläubigen befinden sich rein zeitlich gesehen natürlich immer noch im »gegenwärtigen Zeitalter«, aber moralisch gesehen sind sie von der Bosheit, die dieses Zeitalter kennzeichnet, befreit."

Diese Ausführungen empfinde ich als sehr interessant und bereichernd wie übrigens das gesamte Buch. Horizonterweiternd ist auch - und damit komme ich auf den Ausgangspunkt dieser Seite zurück - , was bei Wikipedia über die Ewigkeits-
vorstellungen im Buddhismus und mancher Philosophen steht.

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[1] Konkordantes Neues Testament, KNT. Hier findet man Genaueres dazu. Die Seite enthält auch Kritisches über den "Mythos" endloser "Höllen"qualen.
[2] W. J. Ouweneel: Der Brief an die Galater, Christliche Literaturverbreitung e.V., Bielefeld, ISBN 3-89397-371-0
1Der Unendlichkeitsbegriff begann erst sehr viel später als zur Zeit Jesu und der Entstehung des Neuen Testaments eine bedeutsame Rolle zu spielen. Er kam nicht von der Glaubens-, sondern von der philosophischen und Wissenschaftsseite her. Bis heute haftet ihm Schwieriges und Unverstandenes an. Sowohl in der Mathematik wie auf manchen Gebieten der modernen Physik bereitet er nicht unbeträchtliche Probleme.
2Auf Seite 37 von [2] wird dazu unter 9) zur Kombination von kosmos und aion bemerkt, dass diese anstelle der Luther-Übersetzung "Lauf der Welt" zutreffender mit "Zeitgeist dieser Welt" zu übersetzen wäre. - "Zeitgeist" ist eine in unserer Moderne vielfach, jedoch nicht immer im positiven Sinne gebrauchte Vokabel.

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