Was ich glauben
kann
hauptsächlich
über Maria im Glaubensbekenntnis
Kürzlich fiel mir erneut und diesmal besonders eindringlich auf,
dass das, was wir in der Bibel lesen und in Predigten hören, den Glauben unserer
Vorfahren wiedergibt. Das, was früher geglaubt wurde, ist Jahrhunderte,
Jahrtausende von uns Heutigen entfernt. Die damals lebten, hatten ihr eigenes
zivilisatorisch-kulturelles Umfeld, das sich von unserem stark unterschied.
Hinzu kommt die im Orient, aber auch in anderen Gegenden verbreitet gewesene Vorliebe
für seltsame, geheimnisvolle Geschichten und Märchen. Ein Beispiel hierfür ist
das sogenannte "Thomas-Evangelium"1. Es schildert angebliche
Wundertaten Jesu als Kind, die ihn allerdings nicht vorteilhaft erscheinen
lassen, und gehört nicht zum christlichen Glaubenskanon.
Anderes,
nun aber Jesus erhöhend, gehört sehr wohl dazu und klingt ähnlich
märchenhaft. In der griechisch-römischen Kultur war der Glaube an Personen, die
von Göttern abstammten oder von Jungfrauen geboren wurden, populär2,
und beides findet ein Echo sowohl im Neuen Testament wie im Anfang des
christlichen Glaubensbekenntnisses.
Wegen dieses Hintergrundes wurde ich unsicher. Es würde eine Lüge sein, falls ich nicht an die jungfräuliche Geburt Jesu glaubte und trotzdem das Glaubensbekenntnis weiter so wie bisher mitspräche – eine Lüge gegenüber Gott! Das erschreckte mich.
Der Entscheidung, ob ich nun an die Jungfrauengeburt Jesu glaube oder nicht, aus dem Weg zu gehen und beim Glaubensbekenntnis, wenn von Maria die Rede ist, einfach zu schweigen, wäre eine Möglichkeit gewesen; aber die wollte ich nicht. Jedesmal müsste ich, wenn wir in die Nähe der bewussten Stelle kommen, mich auf sie besonders konzentrieren, um nicht doch aus Versehen und Gewohnheit meinem Vorsatz untreu zu werden; und das würde von dem Ganzen zu sehr ablenken.
In dieser Verlegenheit konnte ich wegen einer Reise zu Verwandten zweimal hintereinander sonntags nicht zur Kirche gehen. So brauchte ich nichts zu überstürzen und hatte genügend Zeit, über alles noch einmal neu nachzudenken.
Dabei ergab sich:
1. Das Glaubensbekenntnis, wie es in der
evangelisch-lutherischen Kirche gemeinsam gesprochen wird, ist nicht biblisch.
Zwar beruht auf dem, was in der Heiligen Schrift steht, kommt aber in
ihr, anders als das Vater-Unser-Gebet, nicht wörtlich vor. Es wurde, nicht ohne
Kämpfe, Jahrhunderte nach Christi Kreuzigung auf Konzilien formuliert.
2. Es fasst Teile dessen zusammen, was in den urchristlichen Gemeinden geglaubt
wurde. Unsere spätantiken Glaubensbrüder und -schwestern wollten keine Märchen
erzählen, sondern sahen in Jesus Christus etwas Übermenschliches, Göttliches und wollten ihn
auf die damals gebräuchliche Weise ehren. Jungfräulich geboren zu sein, war in jener Zeit offenbar eine besondere, hohe Auszeichnung.3 Davon abgesehen, gibt es bereits im Alten Testament eine Prophezeiung
auf die Geburt des lang erwarteten Messias durch eine Jungfrau (oder junge Frau;
die richtige Übersetzung scheint strittig).4
3. Dass Gott in einer Jungfrau neues Leben bewirken kann, steht für mich außer Frage: Er hat die ganze Welt geschaffen, und so ist Ihm auch manches möglich, das uns wundersam erscheint und sonst nicht eintritt.
4. Was über Maria verkündet wird, will ich glauben. (Glauben setzt bisweilen einen besonderen Entschluss voraus.) Dabei kommt mir folgendes zu Hilfe: als ich, nach Hause zurückgekehrt, an einem strahlend sonnigen Sonntagmorgen wieder zur Kirche ging, fiel mir plötzlich der Anfang der Bibel ein, wo es heißt: "... und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser". Ein schönes, poetisches Bild. Und im Falle Marias "schwebte" der Heilige Geist über ihr, als sie Jesus von Gott empfing. Es passt dazu. So kann ich das Glaubensbekenntnis weiter wie bisher mitsprechen, nunmehr ohne Bedenken.
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1 www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/~/d/9e3ae7/
2 http://www.hjcaspar.de/hpxp/gldateien/jungfrau.htm
3 Warum so gedacht wurde, weiß ich nicht. Ebenso
gut hätte man glauben können, dass der auszuzeichnende Mensch durch die
Einwirkung Gottes zum Beispiel in einer leuchtenden Wolke geboren wurde. (Diese
spielt bei der überlieferten Himmelfahrt Christi eine Rolle, Apostelgeschichte Kap.1, Vers 9)
4 Jesaja, Kap. 7, Vers 14
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