Wer war Barrabas?

Barrabas ist regelmäßigen Gottesdienstbesuchern und Bibellesern wohlbekannt: er war derjenige, den Pontius Pilatus anstelle von Jesus freigab, als die bei der Gerichtsverhandlung anwesenden Juden es von ihm verlangten.

Uneinheitlich ist die Bezeichnung des Freigelassenen. Bei Matthäus (Mt. 27,16) heißt es nach einer Luther-Übersetzung (rev. Fassung von 1962), dass er "ein besonderer Gefangener" war; die Einheitsübersetzung nennt ihn an derselben Stelle einen "berüchtigten Mann im Gefängnis", die "Hoffnung für alle" einen "berüchtigten Gewaltverbrecher". Deutlicher werden Markus (Mk. 5,7) und Lukas (Lk. 23,19), die in verschiedenen Übersetzungen von einem Aufständischen sprechen, der des Mordes angeklagt war. Der Evangelist Johannes schließlich (Joh. 18,40) bezeichnet Barrabas nach der "Hoffnung für alle" unspezifiziert als Verbrecher, nach der Einheitsübersetzung als Straßenräuber und in der Luther-Übersetzung von 1984 nur als Räuber.

Um zu erfahren, was hinter diesen unterschiedlichen Angaben steckt, sah ich, wie schon so oft, im Internet nach und geriet dabei an ein überraschendes Detail, das nicht jeder kennt:

In "älteren Schriften", so heißt es dort mehrfach ohne nähere Quellenangabe, hätte Barrabas den gleichen Vornamen gehabt wie der Heiland. Ein moderner Predigttext enthält sogar ohne zeitliche Einschränkung die Feststellung: "Und da heißt es in der Bibel beim Evangelisten Matthäus: 'Sie hatten aber zu der Zeit einen berüchtigten Gefangenen, der hieß Jesus Barrabas.'" Welche Bibelübersetzung hierbei zugrunde gelegt wurde, erfährt man nicht.

In einem längeren Artikel wird es für möglich gehalten, dass Jesus einen "Spitznamen" hatte, und zwar Bar Abba[s], auf deutsch "Sohn des Vaters", weil ihn die Bibel an mehreren Stellen als Gottes Sohn bezeichnet. (Jesus selbst sprach von sich immer nur als "Menschensohn"!) Durch diese angebliche Namensgleichheit sei es zu "Jesus Barrabas" in den früheren Ausgaben des Matthäus-Evangliums gekommen.

Der genannte Artikel wurde offenbar von einem Atheisten geschrieben. Sein gesamter Inhalt besteht in der Behauptung und dem Versuch ihrer Begründung, dass Jesus Christus nurmehr eine mythische Figur gewesen sei. Dabei beruft sich der Verfasser auf die von ihm so genannte "seriöse Forschung", die erst richtig nach der Französischen Revolution und der damit verbundenen teilweisen Entmachtung der Kirche in Gang gekommen sein soll.

Ich kenne diese Bemühungen nicht und will sie auch nicht kennenlernen. Für mich ist Jesus Christus kein Gegenstand der Forschung, sondern eine anbetungswürdige Person des Glaubens.

Trotzdem las ich den besagten Artikel ziemlich zuende. Ich hätte es nicht tun sollen, denn hinterher war ich etwas beunruhigt. Was wäre, so dachte ich, wenn die "Forscher" recht hätten und Jesus gar nicht in der Weise gelebt und gewirkt hätte, wie es in der Bibel steht?

Abends im Bett fiel mir das Gelesene wieder ein. Ich wehrte mich innerlich dagegen und betete zu Christus, er möge mich von den Gedanken daran befreien.

Und nun geschah etwas Seltsames, noch seltsamer als die obige Entdeckung mit "Jesus Barrabas". Es ist nichts für Skeptiker und Atheisten. Jesus erschien vor meinem geistigen Auge, doch wandte er sich mir nicht zu. Sein Gesicht war nicht zu erkennen; ich sah nur schräg von hinten seine Gestalt und sein langwallendes, braunes Haar. Er ging weg, leicht gebeugt und sehr traurig, wie es mir vorkam. Dabei sagte er: "In deinem Herzen hast du mich schon halb verraten!"

Ich erschrak, schämte mich und wußte: Er hatte recht!

Ein solches ungewöhnliches Erlebnis ist nicht leicht zu verstehen. War es Einbildung, war es ein Traum?

Gegen diesen spricht, dass ich zu dem Zeitpunkt noch hellwach war. Und dass ich mir die geschilderte Szene nur einbildete, d. h. aus eigenen Gedanken und Gefühlen erzeugte, ist sehr unwahrscheinlich. Sie kam ganz plötzlich auf mich zu. Ich war nicht im geringsten darauf vorbereitet und wollte sie von mir aus nicht. Schon gar nicht erwartete ich bei meiner Bitte, mich von den Gedanken an jenen Artikel zu befreien, eine vorwurfsvoll-traurige Antwort. Auch habe ich nicht genügend Phantasie, mir etwas Derartiges selber auszudenken. Deshalb nehme ich an, dass Jesus für einen kurzem Moment wirklich in meinem Innern war und zu mir sprach.

Dass Gott und Jesus Christus mit einzelnen Menschen "redeten", wird in der Bibel oft erwähnt. Dies geschah am Tage ebenso wie in der Nacht; manche wurden durch Gottes Stimme aus dem Schlaf geweckt und antworteten Ihm. Warum soll es das nicht auch heute noch geben? Wenn wir beten, ist es für viele wie ein Zwiegespräch mit Gott und dem Heiland.

Vor fünf Jahren hatte ich ein ähnliches Erlebnis. Noch neu im Glauben, konnte ich einiges nicht verstehen und war darüber recht unglücklich. Eines Nachts wachte ich auf, weil eine Stimme zu mir sagte: "Was quälst du dich? Komm' einfach zu mir!" Auch damals dachte ich, dass es Jesus war, dessen Worte ich hörte. Man kann sich vorstellen, welch' tiefen Eindruck diese erste Begegnung auf mich machte.

Nachtrag, April 2007:

Gegen Ende dieses Monats erschien das Buch von Papst Benedikt XVI "Jesus von Nazareth", das ich wenige Tage danach von jemandem, der mir nahesteht, geschenkt bekam. Ich lese es gern; es ist wunderbar geschrieben. Manches lerne ich aus ihm neu hinzu, während anderes mich weiter in meinem Glauben bestärkt. Für beides bin ich sehr dankbar. - Die auf der Seite 70 stehenden Zeilen über Barrabas:

"Von Origenes erfahren wir noch ein weiteres interessantes Detail: In vielen Handschriften der Evangelien bis ins 3. Jahrhundert hieß der Mann, um den es geht, 'Jesus Barrabas' - Jesus Sohn des Vaters. ..."
präzisieren die oben erwähnten Internet-Hinweise, bei denen lediglich von "älteren Schriften" die Rede ist.

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